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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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Braun, den schärfern Augen-Blitz und die
ganze letzte Entwicklung seiner großen Gestalt
schnell bemerkte und bemerken ließ. Die Für¬
stinn empfing ihn mit der leichtesten feinsten
Kälte, gleichsam einer aqua toffana, die nur
reines geschmackloses Wasser scheint. Der Fürst
saß im Krankenbette aufrecht mit verdrüßlichem
Gesicht vor herkulanischen Zeichnungen und ließ
sich darüber von Bouverot belehren. Wie ein
Gesicht, auf welchem in den späten grauen Jah¬
ren des Lebens noch schöne Freudigkeit sich bil¬
den kann, ein schönes Leben und schönes Herz
verkündigt: so lächelt der Heilige nie himmli¬
scher als auf dem Krankenbette, und der Ver¬
lohrne nie härter als eben da. Albano wandte
sein Auge ab vom siechen verzerrten Bruder
seiner Schwester.

Schmachtend sah er nach dem vergangnen
Hesperien zurück und auf die Paradieses-Pforte
hin, die endlich aufgehen und Linda und die
Schwester im Eden zeigen sollte. "Es wird
Dir recht seyn, (hatte Gaspard gesagt,) daß
ich es unter dem Vorwand der Krankheit Lui¬
gi's
gemacht, daß beide im alten Schloß zu Li¬

Braun, den ſchärfern Augen-Blitz und die
ganze letzte Entwicklung ſeiner großen Geſtalt
ſchnell bemerkte und bemerken ließ. Die Für¬
ſtinn empfing ihn mit der leichteſten feinſten
Kälte, gleichſam einer aqua toffana, die nur
reines geſchmackloſes Waſſer ſcheint. Der Fürſt
ſaß im Krankenbette aufrecht mit verdrüßlichem
Geſicht vor herkulaniſchen Zeichnungen und ließ
ſich darüber von Bouverot belehren. Wie ein
Geſicht, auf welchem in den ſpäten grauen Jah¬
ren des Lebens noch ſchöne Freudigkeit ſich bil¬
den kann, ein ſchönes Leben und ſchönes Herz
verkündigt: ſo lächelt der Heilige nie himmli¬
ſcher als auf dem Krankenbette, und der Ver¬
lohrne nie härter als eben da. Albano wandte
ſein Auge ab vom ſiechen verzerrten Bruder
ſeiner Schweſter.

Schmachtend ſah er nach dem vergangnen
Heſperien zurück und auf die Paradieſes-Pforte
hin, die endlich aufgehen und Linda und die
Schweſter im Eden zeigen ſollte. „Es wird
Dir recht ſeyn, (hatte Gaſpard geſagt,) daß
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gi's
gemacht, daß beide im alten Schloß zu Li¬

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[263/0275] Braun, den ſchärfern Augen-Blitz und die ganze letzte Entwicklung ſeiner großen Geſtalt ſchnell bemerkte und bemerken ließ. Die Für¬ ſtinn empfing ihn mit der leichteſten feinſten Kälte, gleichſam einer aqua toffana, die nur reines geſchmackloſes Waſſer ſcheint. Der Fürſt ſaß im Krankenbette aufrecht mit verdrüßlichem Geſicht vor herkulaniſchen Zeichnungen und ließ ſich darüber von Bouverot belehren. Wie ein Geſicht, auf welchem in den ſpäten grauen Jah¬ ren des Lebens noch ſchöne Freudigkeit ſich bil¬ den kann, ein ſchönes Leben und ſchönes Herz verkündigt: ſo lächelt der Heilige nie himmli¬ ſcher als auf dem Krankenbette, und der Ver¬ lohrne nie härter als eben da. Albano wandte ſein Auge ab vom ſiechen verzerrten Bruder ſeiner Schweſter. Schmachtend ſah er nach dem vergangnen Heſperien zurück und auf die Paradieſes-Pforte hin, die endlich aufgehen und Linda und die Schweſter im Eden zeigen ſollte. „Es wird Dir recht ſeyn, (hatte Gaſpard geſagt,) daß ich es unter dem Vorwand der Krankheit Lui¬ gi's gemacht, daß beide im alten Schloß zu Li¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/275>, abgerufen am 22.11.2024.