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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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mir Deine erste Liebe, ich habe Dir auch er¬
zählt." -- "O Linda, (sagt' er,) wie viel be¬
gehrst Du! Aber ich bin wahr und sage Dir
alles; Du wirst Sie lieben wie Sie Dich liebte.
-- Sieh hier Dein Bild, das Sie sterbend
machte und mir gab!"

Er reichte ihr die kleine Zeichnung und ihr
Auge wurde naß. Darauf fieng er leise und feier¬
lich das Gemählde seiner ersten Liebe an -- wie
er Sie so früh noch ungesehen und in ersten
Morgenstrahlen des Lebens verehrt und ge¬
sucht -- und wie er Sie fand -- und wie Sie
glücklich machte und es nicht wurde -- wie
sanft Sie war und er so wild und hart -- wie
er seinen eignen Ungestüm des Herzens Ihr zu¬
muthete -- wie grausam er Ihre Entsagung
aufnahm und wie Sie durch ihn untergieng.
Linda weinte mehr als gewöhnlich. "O ich
habe hart gehandelt, gute Linda!" sagt' er.
"Nein, (sagte sie,) ich wein' über Euch beide."
-- "Ich habe große Mängel," sagt' er. "Alle
vergeb' ich Dir, (sagte sie,) wenn Du nur lie¬
ben kannst; aber das liebliche Wesen hat auch
sehr gefehlt und gegen die Liebe." -- Sie hielt

mir Deine erſte Liebe, ich habe Dir auch er¬
zählt.“ — „O Linda, (ſagt' er,) wie viel be¬
gehrſt Du! Aber ich bin wahr und ſage Dir
alles; Du wirſt Sie lieben wie Sie Dich liebte.
— Sieh hier Dein Bild, das Sie ſterbend
machte und mir gab!“

Er reichte ihr die kleine Zeichnung und ihr
Auge wurde naß. Darauf fieng er leiſe und feier¬
lich das Gemählde ſeiner erſten Liebe an — wie
er Sie ſo früh noch ungeſehen und in erſten
Morgenſtrahlen des Lebens verehrt und ge¬
ſucht — und wie er Sie fand — und wie Sie
glücklich machte und es nicht wurde — wie
ſanft Sie war und er ſo wild und hart — wie
er ſeinen eignen Ungeſtüm des Herzens Ihr zu¬
muthete — wie grauſam er Ihre Entſagung
aufnahm und wie Sie durch ihn untergieng.
Linda weinte mehr als gewöhnlich. „O ich
habe hart gehandelt, gute Linda!“ ſagt' er.
„Nein, (ſagte ſie,) ich wein' über Euch beide.“
— „Ich habe große Mängel,“ ſagt' er. „Alle
vergeb' ich Dir, (ſagte ſie,) wenn Du nur lie¬
ben kannſt; aber das liebliche Weſen hat auch
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[248/0260] mir Deine erſte Liebe, ich habe Dir auch er¬ zählt.“ — „O Linda, (ſagt' er,) wie viel be¬ gehrſt Du! Aber ich bin wahr und ſage Dir alles; Du wirſt Sie lieben wie Sie Dich liebte. — Sieh hier Dein Bild, das Sie ſterbend machte und mir gab!“ Er reichte ihr die kleine Zeichnung und ihr Auge wurde naß. Darauf fieng er leiſe und feier¬ lich das Gemählde ſeiner erſten Liebe an — wie er Sie ſo früh noch ungeſehen und in erſten Morgenſtrahlen des Lebens verehrt und ge¬ ſucht — und wie er Sie fand — und wie Sie glücklich machte und es nicht wurde — wie ſanft Sie war und er ſo wild und hart — wie er ſeinen eignen Ungeſtüm des Herzens Ihr zu¬ muthete — wie grauſam er Ihre Entſagung aufnahm und wie Sie durch ihn untergieng. Linda weinte mehr als gewöhnlich. „O ich habe hart gehandelt, gute Linda!“ ſagt' er. „Nein, (ſagte ſie,) ich wein' über Euch beide.“ — „Ich habe große Mängel,“ ſagt' er. „Alle vergeb' ich Dir, (ſagte ſie,) wenn Du nur lie¬ ben kannſt; aber das liebliche Weſen hat auch ſehr gefehlt und gegen die Liebe.“ — Sie hielt

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/260>, abgerufen am 25.11.2024.