nem Wesen vorkommt, und ihm daher gar nicht angehört. Jede Natur treibt ihre eigne Frucht und kann es nicht anders; aber ihr Kind kann ihr niemals groß erscheinen, sondern immer nur klein oder gerecht. -- Ist's anders, so ist ihr eine ganz fremde Frucht an den Zweig ge¬ hangen."
"Albano! wie wahr! Aber Ihr hattet sonst nie einen halben Willen, wie ist's?" sagte Lin¬ da. "Jetzt auch nicht!" sagt' er ohne Härte. Man ist am sanftesten, wo man am stärksten ist mit dem Entschluß. Er suchte nun seine eig¬ nen Worte -- das Ohl und den Wind für sein Feuer -- recht zu sparen und zu meiden; um so mehr, weil Worte doch gegen nichts helfen sondern vielmehr das fremde Gefühl anstatt aus-nur anblasen; wurd' er noch der häufigen Fälle eingedenk, wo er Linda mit ei¬ nem einzigen Worte bei aller Unschuld zur Flamme aufgetrieben. Sie standen, und er schauete hin über das göttliche Land, als Lin¬ da, nach einem stummen Blicken in sein Ange¬ sicht, ungeachtet ihres scheinbar-ruhigen Phi¬ losophirens, auf einmal heftig seine Hand an¬
nem Weſen vorkommt, und ihm daher gar nicht angehört. Jede Natur treibt ihre eigne Frucht und kann es nicht anders; aber ihr Kind kann ihr niemals groß erſcheinen, ſondern immer nur klein oder gerecht. — Iſt's anders, ſo iſt ihr eine ganz fremde Frucht an den Zweig ge¬ hangen.“
„Albano! wie wahr! Aber Ihr hattet ſonſt nie einen halben Willen, wie iſt's?“ ſagte Lin¬ da. „Jetzt auch nicht!“ ſagt' er ohne Härte. Man iſt am ſanfteſten, wo man am ſtärkſten iſt mit dem Entſchluß. Er ſuchte nun ſeine eig¬ nen Worte — das Ohl und den Wind für ſein Feuer — recht zu ſparen und zu meiden; um ſo mehr, weil Worte doch gegen nichts helfen ſondern vielmehr das fremde Gefühl anſtatt aus-nur anblaſen; wurd' er noch der häufigen Fälle eingedenk, wo er Linda mit ei¬ nem einzigen Worte bei aller Unſchuld zur Flamme aufgetrieben. Sie ſtanden, und er ſchauete hin über das göttliche Land, als Lin¬ da, nach einem ſtummen Blicken in ſein Ange¬ ſicht, ungeachtet ihres ſcheinbar-ruhigen Phi¬ loſophirens, auf einmal heftig ſeine Hand an¬
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nem Weſen vorkommt, und ihm daher gar nicht
angehört. Jede Natur treibt ihre eigne Frucht
und kann es nicht anders; aber ihr Kind kann
ihr niemals groß erſcheinen, ſondern immer nur
klein oder gerecht. — Iſt's anders, ſo iſt ihr
eine ganz fremde Frucht an den Zweig ge¬
hangen.“
„Albano! wie wahr! Aber Ihr hattet ſonſt
nie einen halben Willen, wie iſt's?“ ſagte Lin¬
da. „Jetzt auch nicht!“ ſagt' er ohne Härte.
Man iſt am ſanfteſten, wo man am ſtärkſten
iſt mit dem Entſchluß. Er ſuchte nun ſeine eig¬
nen Worte — das Ohl und den Wind für ſein
Feuer — recht zu ſparen und zu meiden; um
ſo mehr, weil Worte doch gegen nichts helfen
ſondern vielmehr das fremde Gefühl anſtatt
aus-nur anblaſen; wurd' er noch der
häufigen Fälle eingedenk, wo er Linda mit ei¬
nem einzigen Worte bei aller Unſchuld zur
Flamme aufgetrieben. Sie ſtanden, und er
ſchauete hin über das göttliche Land, als Lin¬
da, nach einem ſtummen Blicken in ſein Ange¬
ſicht, ungeachtet ihres ſcheinbar-ruhigen Phi¬
loſophirens, auf einmal heftig ſeine Hand an¬
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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/232>, abgerufen am 27.11.2024.
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