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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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eine Sonne heraufgeführt und die dunkeln Tro¬
pfen strahlten durch alle Gärten hinauf und
hinab.

Er warf endlich einen Blick auf den Ort,
der ihn umgab; Niobe's Gruppe, der Genius
von Turin, Amor und Psyche, standen abge¬
gossen da, aus dem Kabinette eines Künstlers
in Neapel entlehnt -- die Wände waren mit
seltenen Gemählden geschmückt, worunter der
-- niesende Schoppe war. Dieser allein drang
mit der nordischen Vergangenheit heftig in sein
erweichtes Herz und er sagte der Geliebten sein
Gefühl. "Sie ziehen (sagte sie) der Kunst die
Freundschaft vor, denn das Portrait ist das
Schlechteste in meiner Sammlung; aber das
Original verdient wohl alle Achtung."

Sie gieng ins Kabinet und holte ein Mi¬
niaturbild von sich selber, das sie nach türki¬
scher Sitte darstellt, eingeschleiert und nur Ein
Auge aufgedeckt. Wie neben der Schleier-Däm¬
merung das offne Seelen-Auge lebendig blickte
und traf! Wie die Flamme ihrer Macht die
Hülle der Milde durchbrannte! -- Linda nannte
den Meister des herrlichen Bildes, eben diesen

eine Sonne heraufgeführt und die dunkeln Tro¬
pfen ſtrahlten durch alle Gärten hinauf und
hinab.

Er warf endlich einen Blick auf den Ort,
der ihn umgab; Niobe's Gruppe, der Genius
von Turin, Amor und Pſyche, ſtanden abge¬
goſſen da, aus dem Kabinette eines Künſtlers
in Neapel entlehnt — die Wände waren mit
ſeltenen Gemählden geſchmückt, worunter der
— nieſende Schoppe war. Dieſer allein drang
mit der nordiſchen Vergangenheit heftig in ſein
erweichtes Herz und er ſagte der Geliebten ſein
Gefühl. „Sie ziehen (ſagte ſie) der Kunſt die
Freundſchaft vor, denn das Portrait iſt das
Schlechteſte in meiner Sammlung; aber das
Original verdient wohl alle Achtung.“

Sie gieng ins Kabinet und holte ein Mi¬
niaturbild von ſich ſelber, das ſie nach türki¬
ſcher Sitte darſtellt, eingeſchleiert und nur Ein
Auge aufgedeckt. Wie neben der Schleier-Däm¬
merung das offne Seelen-Auge lebendig blickte
und traf! Wie die Flamme ihrer Macht die
Hülle der Milde durchbrannte! — Linda nannte
den Meiſter des herrlichen Bildes, eben dieſen

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[153/0165] eine Sonne heraufgeführt und die dunkeln Tro¬ pfen ſtrahlten durch alle Gärten hinauf und hinab. Er warf endlich einen Blick auf den Ort, der ihn umgab; Niobe's Gruppe, der Genius von Turin, Amor und Pſyche, ſtanden abge¬ goſſen da, aus dem Kabinette eines Künſtlers in Neapel entlehnt — die Wände waren mit ſeltenen Gemählden geſchmückt, worunter der — nieſende Schoppe war. Dieſer allein drang mit der nordiſchen Vergangenheit heftig in ſein erweichtes Herz und er ſagte der Geliebten ſein Gefühl. „Sie ziehen (ſagte ſie) der Kunſt die Freundſchaft vor, denn das Portrait iſt das Schlechteſte in meiner Sammlung; aber das Original verdient wohl alle Achtung.“ Sie gieng ins Kabinet und holte ein Mi¬ niaturbild von ſich ſelber, das ſie nach türki¬ ſcher Sitte darſtellt, eingeſchleiert und nur Ein Auge aufgedeckt. Wie neben der Schleier-Däm¬ merung das offne Seelen-Auge lebendig blickte und traf! Wie die Flamme ihrer Macht die Hülle der Milde durchbrannte! — Linda nannte den Meiſter des herrlichen Bildes, eben dieſen

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/165>, abgerufen am 27.11.2024.