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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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ein so ungemeines Wesen da will -- es ist ein
gewaltiger Mensch, aber verworren und nicht
klar. Er ist sehr Ihr Freund." -- "Was
macht (fragte Dian halb scherzend) mein alter
Gönner, der Lektor Augusti?" -- Sie ant¬
wortete kurz und fast über dessen vertrauliches
Fragen empfindlich: "es geht ihm gut am
Hofe." -- "Wenigen Naturen (wandte sie sich
über Augusti fortfahrend an Albano) geschieht
so viel Unrecht des Urtheils als solchen einfa¬
chen, kühlen, konsequenten wie der seinigen."
Albano konnte nicht ganz Ja sagen; aber er
erkannte in ihrer Achtung für die fremdeste Ei¬
genthümlichkeit froh die Schülerin seines Va¬
ters, der ein Gewächs nicht nach der glatten
oder rauhen Rinde, sondern nach der Blüthe
schätzte. Nie zeichnet der Mensch den eignen
Karakter schärfer als in seiner Manier, einen
fremden zu zeichnen. Aber Linda's hohe Of¬
fenherzigkeit dabei, die feingebildeten Weibern
so oft abgeht als kräftigen Männern Feinheit
und Hülle, ergriff den Jüngling am stärkesten
und er glaubte zu sündigen, wenn er nicht seine
große natürliche gegen sie verdoppelte.

ein ſo ungemeines Weſen da will — es iſt ein
gewaltiger Menſch, aber verworren und nicht
klar. Er iſt ſehr Ihr Freund.“ — „Was
macht (fragte Dian halb ſcherzend) mein alter
Gönner, der Lektor Auguſti?“ — Sie ant¬
wortete kurz und faſt über deſſen vertrauliches
Fragen empfindlich: „es geht ihm gut am
Hofe.“ — „Wenigen Naturen (wandte ſie ſich
über Auguſti fortfahrend an Albano) geſchieht
ſo viel Unrecht des Urtheils als ſolchen einfa¬
chen, kühlen, konſequenten wie der ſeinigen.“
Albano konnte nicht ganz Ja ſagen; aber er
erkannte in ihrer Achtung für die fremdeſte Ei¬
genthümlichkeit froh die Schülerin ſeines Va¬
ters, der ein Gewächs nicht nach der glatten
oder rauhen Rinde, ſondern nach der Blüthe
ſchätzte. Nie zeichnet der Menſch den eignen
Karakter ſchärfer als in ſeiner Manier, einen
fremden zu zeichnen. Aber Linda's hohe Of¬
fenherzigkeit dabei, die feingebildeten Weibern
ſo oft abgeht als kräftigen Männern Feinheit
und Hülle, ergriff den Jüngling am ſtärkeſten
und er glaubte zu ſündigen, wenn er nicht ſeine
große natürliche gegen ſie verdoppelte.

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[133/0145] ein ſo ungemeines Weſen da will — es iſt ein gewaltiger Menſch, aber verworren und nicht klar. Er iſt ſehr Ihr Freund.“ — „Was macht (fragte Dian halb ſcherzend) mein alter Gönner, der Lektor Auguſti?“ — Sie ant¬ wortete kurz und faſt über deſſen vertrauliches Fragen empfindlich: „es geht ihm gut am Hofe.“ — „Wenigen Naturen (wandte ſie ſich über Auguſti fortfahrend an Albano) geſchieht ſo viel Unrecht des Urtheils als ſolchen einfa¬ chen, kühlen, konſequenten wie der ſeinigen.“ Albano konnte nicht ganz Ja ſagen; aber er erkannte in ihrer Achtung für die fremdeſte Ei¬ genthümlichkeit froh die Schülerin ſeines Va¬ ters, der ein Gewächs nicht nach der glatten oder rauhen Rinde, ſondern nach der Blüthe ſchätzte. Nie zeichnet der Menſch den eignen Karakter ſchärfer als in ſeiner Manier, einen fremden zu zeichnen. Aber Linda's hohe Of¬ fenherzigkeit dabei, die feingebildeten Weibern ſo oft abgeht als kräftigen Männern Feinheit und Hülle, ergriff den Jüngling am ſtärkeſten und er glaubte zu ſündigen, wenn er nicht ſeine große natürliche gegen ſie verdoppelte.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/145>, abgerufen am 29.11.2024.