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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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wie zornig gegen sie, zum Weiterbeten unfähig
vor dem Geschrei seines Herzens, und mit
beiden Händen hastig über sein nasses Gesicht
wegstreifend -- Nun betete er sanfter-zitternd
fort: "Nein, Du Allliebender! Tödte nicht dieses
"schöne, junge Leben! Lass' uns beisammen,
"lang' und fromm!"

Sie kniete unwillkürlich neben ihn --
heute matter von Freuden und unbekannten in¬
nern Siegen, sogar vom langen Gehen -- desto
heftiger angefallen von einer rührenden Wirk¬
lichkeit, da sie von rührenden Phantasien ver¬
wöhnt und erweicht war -- und unsäglich lei¬
dend bei Albano's Schmerz -- sie konnte nicht
reden -- wie unter einer schnell aufgeworfnen
Last bückte sich ihr Haupt und Hals -- und
so blickte sie wie vom ganzen Leben schwer um¬
wölkt auf den Boden hin -- der umfangende
Todesfluß rauschte mit Einem Arm um sie --
da sah sie, ohne aufzublicken, irgendwo ihre
Karoline im Brautkleide und mit dem weissen,
gold-punktirten Schleier ziehen, der sich lang
über das Leben wegschleppte, und sie sah es

deut¬

wie zornig gegen ſie, zum Weiterbeten unfähig
vor dem Geſchrei ſeines Herzens, und mit
beiden Händen haſtig über ſein naſſes Geſicht
wegſtreifend — Nun betete er ſanfter-zitternd
fort: „Nein, Du Allliebender! Tödte nicht dieſes
„ſchöne, junge Leben! Laſſ' uns beiſammen,
„lang' und fromm!“

Sie kniete unwillkürlich neben ihn —
heute matter von Freuden und unbekannten in¬
nern Siegen, ſogar vom langen Gehen — deſto
heftiger angefallen von einer rührenden Wirk¬
lichkeit, da ſie von rührenden Phantaſien ver¬
wöhnt und erweicht war — und unſäglich lei¬
dend bei Albano's Schmerz — ſie konnte nicht
reden — wie unter einer ſchnell aufgeworfnen
Laſt bückte ſich ihr Haupt und Hals — und
ſo blickte ſie wie vom ganzen Leben ſchwer um¬
wölkt auf den Boden hin — der umfangende
Todesfluß rauſchte mit Einem Arm um ſie —
da ſah ſie, ohne aufzublicken, irgendwo ihre
Karoline im Brautkleide und mit dem weiſſen,
gold-punktirten Schleier ziehen, der ſich lang
über das Leben wegſchleppte, und ſie ſah es

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[80/0092] wie zornig gegen ſie, zum Weiterbeten unfähig vor dem Geſchrei ſeines Herzens, und mit beiden Händen haſtig über ſein naſſes Geſicht wegſtreifend — Nun betete er ſanfter-zitternd fort: „Nein, Du Allliebender! Tödte nicht dieſes „ſchöne, junge Leben! Laſſ' uns beiſammen, „lang' und fromm!“ Sie kniete unwillkürlich neben ihn — heute matter von Freuden und unbekannten in¬ nern Siegen, ſogar vom langen Gehen — deſto heftiger angefallen von einer rührenden Wirk¬ lichkeit, da ſie von rührenden Phantaſien ver¬ wöhnt und erweicht war — und unſäglich lei¬ dend bei Albano's Schmerz — ſie konnte nicht reden — wie unter einer ſchnell aufgeworfnen Laſt bückte ſich ihr Haupt und Hals — und ſo blickte ſie wie vom ganzen Leben ſchwer um¬ wölkt auf den Boden hin — der umfangende Todesfluß rauſchte mit Einem Arm um ſie — da ſah ſie, ohne aufzublicken, irgendwo ihre Karoline im Brautkleide und mit dem weiſſen, gold-punktirten Schleier ziehen, der ſich lang über das Leben wegſchleppte, und ſie ſah es deut¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/92>, abgerufen am 24.11.2024.