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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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trübe? Nie mehr sollst Du sie hören, auch der
Schleier ist eingeschlossen; aber ich berechnete
Dich nach meinem Bruder, dem, wie er selber
sagt, das Todes-Dunkel eine Abenddämmerung
ist, wo ihm die Gestalten lieblicher werden.
-- Wahrlich, ich bin ganz seelig -- denn Du so¬
gar bist es, und hast doch so wenig an mir,
nur eine kleine Blume für Dein Herz, aber
ich habe Dich. Lasse mir mein Grab, wie von
einem Berg kommt bessere fruchtbare Erde da¬
von in mein Thal. O wie liebt man, Albano,
wenn Alles neben uns bricht und fällt und ver¬
raucht und wenn doch der Bund und Glanz
der Liebe unzerrissen und fest auf dem weg¬
fliessenden Leben steht, wie ich oft bei Wasser¬
fällen mit Rührung auf den zerspringenden,
reissenden Fluthen einen Regenbogen unver¬
rückt und unverändert schweben sah! -- O, ich
wollte, die Nachtigallen sängen noch, jetzt könnt'
ich mit ihnen singen; Deine Aeolsharfe, meine
Harmonika wünscht' ich in meiner Hand. Mein
Vater war bei uns und heiterer und freund¬
licher gegen Alle als je. Sieh! sogar er ist
gut. Meine Eltern schicken gewiß kein Gewit¬

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trübe? Nie mehr ſollſt Du ſie hören, auch der
Schleier iſt eingeſchloſſen; aber ich berechnete
Dich nach meinem Bruder, dem, wie er ſelber
ſagt, das Todes-Dunkel eine Abenddämmerung
iſt, wo ihm die Geſtalten lieblicher werden.
— Wahrlich, ich bin ganz ſeelig — denn Du ſo¬
gar biſt es, und haſt doch ſo wenig an mir,
nur eine kleine Blume für Dein Herz, aber
ich habe Dich. Laſſe mir mein Grab, wie von
einem Berg kommt beſſere fruchtbare Erde da¬
von in mein Thal. O wie liebt man, Albano,
wenn Alles neben uns bricht und fällt und ver¬
raucht und wenn doch der Bund und Glanz
der Liebe unzerriſſen und feſt auf dem weg¬
flieſſenden Leben ſteht, wie ich oft bei Waſſer¬
fällen mit Rührung auf den zerſpringenden,
reiſſenden Fluthen einen Regenbogen unver¬
rückt und unverändert ſchweben ſah! — O, ich
wollte, die Nachtigallen ſängen noch, jetzt könnt'
ich mit ihnen ſingen; Deine Aeolsharfe, meine
Harmonika wünſcht' ich in meiner Hand. Mein
Vater war bei uns und heiterer und freund¬
licher gegen Alle als je. Sieh! ſogar er iſt
gut. Meine Eltern ſchicken gewiß kein Gewit¬

D 2
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[51/0063] trübe? Nie mehr ſollſt Du ſie hören, auch der Schleier iſt eingeſchloſſen; aber ich berechnete Dich nach meinem Bruder, dem, wie er ſelber ſagt, das Todes-Dunkel eine Abenddämmerung iſt, wo ihm die Geſtalten lieblicher werden. — Wahrlich, ich bin ganz ſeelig — denn Du ſo¬ gar biſt es, und haſt doch ſo wenig an mir, nur eine kleine Blume für Dein Herz, aber ich habe Dich. Laſſe mir mein Grab, wie von einem Berg kommt beſſere fruchtbare Erde da¬ von in mein Thal. O wie liebt man, Albano, wenn Alles neben uns bricht und fällt und ver¬ raucht und wenn doch der Bund und Glanz der Liebe unzerriſſen und feſt auf dem weg¬ flieſſenden Leben ſteht, wie ich oft bei Waſſer¬ fällen mit Rührung auf den zerſpringenden, reiſſenden Fluthen einen Regenbogen unver¬ rückt und unverändert ſchweben ſah! — O, ich wollte, die Nachtigallen ſängen noch, jetzt könnt' ich mit ihnen ſingen; Deine Aeolsharfe, meine Harmonika wünſcht' ich in meiner Hand. Mein Vater war bei uns und heiterer und freund¬ licher gegen Alle als je. Sieh! ſogar er iſt gut. Meine Eltern ſchicken gewiß kein Gewit¬ D 2

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/63>, abgerufen am 24.11.2024.