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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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ben. Da zog an der Milchstraße die weisse
Welt mit dem Schleier langsam herauf -- wie
ein sanfter Mond schimmerte sie noch ein we¬
nig, dann ließ sie sich vom Himmel nieder auf
das heilige Land und zerrann am Boden hin;
nur der hohe Schleier blieb -- Dann zog sich der
Schleier in den Äther zurück und eine erhabene,
göttliche Jungfrau, groß wie die andern Göt¬
tinnen, stand auf der Erde und im Himmel; al¬
ler Rosenglanz der wehenden Sonne sammelte
sich an ihr und sie brannte, in Abendroth ge¬
kleidet. Alle unsichtbaren Stimmen redeten sie
an und fragten: ""wer ist der Vater der Men¬
schen und ihre Mutter und ihr Bruder und ih¬
re Schwester und ihr Geliebter und ihre Ge¬
liebte und ihr Freund?"" Die Jungfrau hob
fest das blaue Auge auf und sagte: ""Gott ists!""
-- Und darauf blickte sie mich aus dem hohen
Glanze zärtlich an und sagte: ""Du kennst mich
nicht, Albano, denn Du lebst noch."" -- ""Unbe¬
kannte Jungfrau, (sagt' ich,) ich schaue mit den
Schmerzen einer Liebe ohne Maaß in Dein er¬
habenes Angesicht, ich habe Dich gewiß gekannt
-- nenne Deinen Namen."" -- ""Wenn ich ihn

ben. Da zog an der Milchſtraße die weiſſe
Welt mit dem Schleier langſam herauf — wie
ein ſanfter Mond ſchimmerte ſie noch ein we¬
nig, dann ließ ſie ſich vom Himmel nieder auf
das heilige Land und zerrann am Boden hin;
nur der hohe Schleier blieb — Dann zog ſich der
Schleier in den Äther zurück und eine erhabene,
göttliche Jungfrau, groß wie die andern Göt¬
tinnen, ſtand auf der Erde und im Himmel; al¬
ler Roſenglanz der wehenden Sonne ſammelte
ſich an ihr und ſie brannte, in Abendroth ge¬
kleidet. Alle unſichtbaren Stimmen redeten ſie
an und fragten: „„wer iſt der Vater der Men¬
ſchen und ihre Mutter und ihr Bruder und ih¬
re Schweſter und ihr Geliebter und ihre Ge¬
liebte und ihr Freund?““ Die Jungfrau hob
feſt das blaue Auge auf und ſagte: „„Gott iſts!““
— Und darauf blickte ſie mich aus dem hohen
Glanze zärtlich an und ſagte: „„Du kennſt mich
nicht, Albano, denn Du lebſt noch.““ — „„Unbe¬
kannte Jungfrau, (ſagt' ich,) ich ſchaue mit den
Schmerzen einer Liebe ohne Maaß in Dein er¬
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— nenne Deinen Namen.““ — „„Wenn ich ihn

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[427/0439] ben. Da zog an der Milchſtraße die weiſſe Welt mit dem Schleier langſam herauf — wie ein ſanfter Mond ſchimmerte ſie noch ein we¬ nig, dann ließ ſie ſich vom Himmel nieder auf das heilige Land und zerrann am Boden hin; nur der hohe Schleier blieb — Dann zog ſich der Schleier in den Äther zurück und eine erhabene, göttliche Jungfrau, groß wie die andern Göt¬ tinnen, ſtand auf der Erde und im Himmel; al¬ ler Roſenglanz der wehenden Sonne ſammelte ſich an ihr und ſie brannte, in Abendroth ge¬ kleidet. Alle unſichtbaren Stimmen redeten ſie an und fragten: „„wer iſt der Vater der Men¬ ſchen und ihre Mutter und ihr Bruder und ih¬ re Schweſter und ihr Geliebter und ihre Ge¬ liebte und ihr Freund?““ Die Jungfrau hob feſt das blaue Auge auf und ſagte: „„Gott iſts!““ — Und darauf blickte ſie mich aus dem hohen Glanze zärtlich an und ſagte: „„Du kennſt mich nicht, Albano, denn Du lebſt noch.““ — „„Unbe¬ kannte Jungfrau, (ſagt' ich,) ich ſchaue mit den Schmerzen einer Liebe ohne Maaß in Dein er¬ habenes Angeſicht, ich habe Dich gewiß gekannt — nenne Deinen Namen.““ — „„Wenn ich ihn

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/439>, abgerufen am 24.11.2024.