beide schienen von Scherzen und Lachen fast ermattet; denn Roquairol trieb Alles, sogar den Scherz, bis zur Pein hinauf. Er hatte den Abendstern, auf den er heute eingeladen, in ein Treib- und Stammhaus lustiger Einfälle und Anspielungen umgebauet. Anfangs wollt' er nicht schon morgen mitkommen; aber endlich sagt' ers zu, da Rabette versicherte, "sie errathe "den feinen Herrn recht gut, aber er solle doch "sie nur sorgen lassen."
Als die Morgenröthe aufgieng, kam Albano mit ihm wieder, aber die Gartenthüre am "Herrschaftsgarten" war schon offen und Liane schon in der Laube. Ein Akten-Heft, (so schien es,) lag auf ihrem Schooß und ihre gefalteten Hände daneben, sie blickte mehr sinnend gerade¬ hin als betend empor: doch empfing sie ihren Albano so mild- und fremdlächelnd, wie ein Mensch einen ins Gebet hereintretenden Gast grüßend anlächelt und dann weiter betet. Der Graf hatte sich bisher immer auf eine Zurückgezogenheit des Empfangs rüsten müssen. Ein Mißverstand, der schnell wieder kommt, wirkt, so oft er auch gehoben sey, immer wieder
beide ſchienen von Scherzen und Lachen faſt ermattet; denn Roquairol trieb Alles, ſogar den Scherz, bis zur Pein hinauf. Er hatte den Abendſtern, auf den er heute eingeladen, in ein Treib- und Stammhaus luſtiger Einfälle und Anſpielungen umgebauet. Anfangs wollt' er nicht ſchon morgen mitkommen; aber endlich ſagt' ers zu, da Rabette verſicherte, „ſie errathe „den feinen Herrn recht gut, aber er ſolle doch „ſie nur ſorgen laſſen.“
Als die Morgenröthe aufgieng, kam Albano mit ihm wieder, aber die Gartenthüre am „Herrſchaftsgarten“ war ſchon offen und Liane ſchon in der Laube. Ein Akten-Heft, (ſo ſchien es,) lag auf ihrem Schooß und ihre gefalteten Hände daneben, ſie blickte mehr ſinnend gerade¬ hin als betend empor: doch empfing ſie ihren Albano ſo mild- und fremdlächelnd, wie ein Menſch einen ins Gebet hereintretenden Gaſt grüßend anlächelt und dann weiter betet. Der Graf hatte ſich bisher immer auf eine Zurückgezogenheit des Empfangs rüſten müſſen. Ein Mißverſtand, der ſchnell wieder kommt, wirkt, ſo oft er auch gehoben ſey, immer wieder
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0036"n="24"/>
beide ſchienen von Scherzen und Lachen faſt<lb/>
ermattet; denn Roquairol trieb Alles, ſogar<lb/>
den Scherz, bis zur Pein hinauf. Er hatte den<lb/>
Abendſtern, auf den er heute eingeladen, in ein<lb/>
Treib- und Stammhaus luſtiger Einfälle und<lb/>
Anſpielungen umgebauet. Anfangs wollt' er<lb/>
nicht ſchon morgen mitkommen; aber endlich<lb/>ſagt' ers zu, da Rabette verſicherte, „ſie errathe<lb/>„den feinen Herrn recht gut, aber er ſolle doch<lb/>„ſie nur ſorgen laſſen.“</p><lb/><p>Als die Morgenröthe aufgieng, kam Albano<lb/>
mit ihm wieder, aber die Gartenthüre am<lb/>„Herrſchaftsgarten“ war ſchon offen und Liane<lb/>ſchon in der Laube. Ein Akten-Heft, (ſo ſchien<lb/>
es,) lag auf ihrem Schooß und ihre gefalteten<lb/>
Hände daneben, ſie blickte mehr ſinnend gerade¬<lb/>
hin als betend empor: doch empfing ſie ihren<lb/>
Albano ſo mild- und fremdlächelnd, wie ein<lb/>
Menſch einen ins Gebet hereintretenden Gaſt<lb/>
grüßend anlächelt und dann weiter betet.<lb/>
Der Graf hatte ſich bisher immer auf eine<lb/>
Zurückgezogenheit des Empfangs rüſten müſſen.<lb/>
Ein Mißverſtand, der ſchnell wieder kommt,<lb/>
wirkt, ſo oft er auch gehoben ſey, immer wieder<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[24/0036]
beide ſchienen von Scherzen und Lachen faſt
ermattet; denn Roquairol trieb Alles, ſogar
den Scherz, bis zur Pein hinauf. Er hatte den
Abendſtern, auf den er heute eingeladen, in ein
Treib- und Stammhaus luſtiger Einfälle und
Anſpielungen umgebauet. Anfangs wollt' er
nicht ſchon morgen mitkommen; aber endlich
ſagt' ers zu, da Rabette verſicherte, „ſie errathe
„den feinen Herrn recht gut, aber er ſolle doch
„ſie nur ſorgen laſſen.“
Als die Morgenröthe aufgieng, kam Albano
mit ihm wieder, aber die Gartenthüre am
„Herrſchaftsgarten“ war ſchon offen und Liane
ſchon in der Laube. Ein Akten-Heft, (ſo ſchien
es,) lag auf ihrem Schooß und ihre gefalteten
Hände daneben, ſie blickte mehr ſinnend gerade¬
hin als betend empor: doch empfing ſie ihren
Albano ſo mild- und fremdlächelnd, wie ein
Menſch einen ins Gebet hereintretenden Gaſt
grüßend anlächelt und dann weiter betet.
Der Graf hatte ſich bisher immer auf eine
Zurückgezogenheit des Empfangs rüſten müſſen.
Ein Mißverſtand, der ſchnell wieder kommt,
wirkt, ſo oft er auch gehoben ſey, immer wieder
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/36>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.