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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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beide schienen von Scherzen und Lachen fast
ermattet; denn Roquairol trieb Alles, sogar
den Scherz, bis zur Pein hinauf. Er hatte den
Abendstern, auf den er heute eingeladen, in ein
Treib- und Stammhaus lustiger Einfälle und
Anspielungen umgebauet. Anfangs wollt' er
nicht schon morgen mitkommen; aber endlich
sagt' ers zu, da Rabette versicherte, "sie errathe
"den feinen Herrn recht gut, aber er solle doch
"sie nur sorgen lassen."

Als die Morgenröthe aufgieng, kam Albano
mit ihm wieder, aber die Gartenthüre am
"Herrschaftsgarten" war schon offen und Liane
schon in der Laube. Ein Akten-Heft, (so schien
es,) lag auf ihrem Schooß und ihre gefalteten
Hände daneben, sie blickte mehr sinnend gerade¬
hin als betend empor: doch empfing sie ihren
Albano so mild- und fremdlächelnd, wie ein
Mensch einen ins Gebet hereintretenden Gast
grüßend anlächelt und dann weiter betet.
Der Graf hatte sich bisher immer auf eine
Zurückgezogenheit des Empfangs rüsten müssen.
Ein Mißverstand, der schnell wieder kommt,
wirkt, so oft er auch gehoben sey, immer wieder

beide ſchienen von Scherzen und Lachen faſt
ermattet; denn Roquairol trieb Alles, ſogar
den Scherz, bis zur Pein hinauf. Er hatte den
Abendſtern, auf den er heute eingeladen, in ein
Treib- und Stammhaus luſtiger Einfälle und
Anſpielungen umgebauet. Anfangs wollt' er
nicht ſchon morgen mitkommen; aber endlich
ſagt' ers zu, da Rabette verſicherte, „ſie errathe
„den feinen Herrn recht gut, aber er ſolle doch
„ſie nur ſorgen laſſen.“

Als die Morgenröthe aufgieng, kam Albano
mit ihm wieder, aber die Gartenthüre am
„Herrſchaftsgarten“ war ſchon offen und Liane
ſchon in der Laube. Ein Akten-Heft, (ſo ſchien
es,) lag auf ihrem Schooß und ihre gefalteten
Hände daneben, ſie blickte mehr ſinnend gerade¬
hin als betend empor: doch empfing ſie ihren
Albano ſo mild- und fremdlächelnd, wie ein
Menſch einen ins Gebet hereintretenden Gaſt
grüßend anlächelt und dann weiter betet.
Der Graf hatte ſich bisher immer auf eine
Zurückgezogenheit des Empfangs rüſten müſſen.
Ein Mißverſtand, der ſchnell wieder kommt,
wirkt, ſo oft er auch gehoben ſey, immer wieder

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[24/0036] beide ſchienen von Scherzen und Lachen faſt ermattet; denn Roquairol trieb Alles, ſogar den Scherz, bis zur Pein hinauf. Er hatte den Abendſtern, auf den er heute eingeladen, in ein Treib- und Stammhaus luſtiger Einfälle und Anſpielungen umgebauet. Anfangs wollt' er nicht ſchon morgen mitkommen; aber endlich ſagt' ers zu, da Rabette verſicherte, „ſie errathe „den feinen Herrn recht gut, aber er ſolle doch „ſie nur ſorgen laſſen.“ Als die Morgenröthe aufgieng, kam Albano mit ihm wieder, aber die Gartenthüre am „Herrſchaftsgarten“ war ſchon offen und Liane ſchon in der Laube. Ein Akten-Heft, (ſo ſchien es,) lag auf ihrem Schooß und ihre gefalteten Hände daneben, ſie blickte mehr ſinnend gerade¬ hin als betend empor: doch empfing ſie ihren Albano ſo mild- und fremdlächelnd, wie ein Menſch einen ins Gebet hereintretenden Gaſt grüßend anlächelt und dann weiter betet. Der Graf hatte ſich bisher immer auf eine Zurückgezogenheit des Empfangs rüſten müſſen. Ein Mißverſtand, der ſchnell wieder kommt, wirkt, ſo oft er auch gehoben ſey, immer wieder

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/36>, abgerufen am 24.11.2024.