kein Auge wurde naß; der Wermuth des Ge¬ wissens verbittert sogar den Schmerz.
Wenn der Mensch sein eigner Freund nicht mehr ist, so geht er zu seinem Bruder, der es noch ist, damit ihn dieser sanft anrede und wie¬ der beseele; -- Albano gieng zu seinem Schoppe.
Er fand ihn nicht, aber etwas anderes. Schoppe führte nämlich ein Tagebuch über "sich und die Welt", worin sein Freund lesen durfte was und wenn er wollte; nur mußt' ers vergeben, wenn er darin -- da es durchaus so geschrieben wurde als säh' es niemand weiter -- zornige Fächerschläge und noch dazu mit dem harten Ende wegtrug. "Warum soll ich dich mehr schonen als mich?" sagte Schoppe. Zu diesem Du waren sie gekommen, ohne sa¬ gen zu können wann, so sehr sie sonst mit die¬ ser Herzens-Kurialie, mit diesem heiligsten See¬ len-Dualis gegen andere geizten; "denn ich dan¬ ke Gott, (sagte Schoppe,) daß ich in einer Spra¬ che lebe, wo ich zuweilen Sie sagen kann, ja sogar, wenn die Menschen und Schelme dar¬ nach sind, zwischen jedem Komma Euer so wohl Wohl- als Hoch- und Sonst-Geboren."
kein Auge wurde naß; der Wermuth des Ge¬ wiſſens verbittert ſogar den Schmerz.
Wenn der Menſch ſein eigner Freund nicht mehr iſt, ſo geht er zu ſeinem Bruder, der es noch iſt, damit ihn dieſer ſanft anrede und wie¬ der beſeele; — Albano gieng zu ſeinem Schoppe.
Er fand ihn nicht, aber etwas anderes. Schoppe führte nämlich ein Tagebuch über „ſich und die Welt“, worin ſein Freund leſen durfte was und wenn er wollte; nur mußt' ers vergeben, wenn er darin — da es durchaus ſo geſchrieben wurde als ſäh' es niemand weiter — zornige Fächerſchläge und noch dazu mit dem harten Ende wegtrug. „Warum ſoll ich dich mehr ſchonen als mich?“ ſagte Schoppe. Zu dieſem Du waren ſie gekommen, ohne ſa¬ gen zu können wann, ſo ſehr ſie ſonſt mit die¬ ſer Herzens-Kurialie, mit dieſem heiligſten See¬ len-Dualis gegen andere geizten; „denn ich dan¬ ke Gott, (ſagte Schoppe,) daß ich in einer Spra¬ che lebe, wo ich zuweilen Sie ſagen kann, ja ſogar, wenn die Menſchen und Schelme dar¬ nach ſind, zwiſchen jedem Komma Euer ſo wohl Wohl- als Hoch- und Sonſt-Geboren.“
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kein Auge wurde naß; der Wermuth des Ge¬
wiſſens verbittert ſogar den Schmerz.
Wenn der Menſch ſein eigner Freund nicht
mehr iſt, ſo geht er zu ſeinem Bruder, der es
noch iſt, damit ihn dieſer ſanft anrede und wie¬
der beſeele; — Albano gieng zu ſeinem Schoppe.
Er fand ihn nicht, aber etwas anderes.
Schoppe führte nämlich ein Tagebuch über
„ſich und die Welt“, worin ſein Freund leſen
durfte was und wenn er wollte; nur mußt' ers
vergeben, wenn er darin — da es durchaus ſo
geſchrieben wurde als ſäh' es niemand weiter
— zornige Fächerſchläge und noch dazu mit
dem harten Ende wegtrug. „Warum ſoll ich
dich mehr ſchonen als mich?“ ſagte Schoppe.
Zu dieſem Du waren ſie gekommen, ohne ſa¬
gen zu können wann, ſo ſehr ſie ſonſt mit die¬
ſer Herzens-Kurialie, mit dieſem heiligſten See¬
len-Dualis gegen andere geizten; „denn ich dan¬
ke Gott, (ſagte Schoppe,) daß ich in einer Spra¬
che lebe, wo ich zuweilen Sie ſagen kann, ja
ſogar, wenn die Menſchen und Schelme dar¬
nach ſind, zwiſchen jedem Komma Euer ſo wohl
Wohl- als Hoch- und Sonſt-Geboren.“
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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/355>, abgerufen am 24.11.2024.
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