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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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te was er denken sollte. Wie wenig konnt' er
sonst das Geschrei eines geprügelten Hundes er¬
tragen, ohne zur Hausthüre als Schutzherr hin¬
auszufahren, weil er glaubte, man könne wohl
Menschen wie Hunde traktiren aber Hunde
nicht! -- Jetzt konnt' er das Schreien hören,
bloß weil er es wie es schien nicht hörte.

Wie er sonst oft zu Albano gieng um bloß
auf und ab und fortzugehen ohne ein lautes
Wort -- weil er sagte: "daran erkenn' ich eben
"den Freund, daß er mich oder sich nicht unter¬
"halten sondern bloß da sitzten will" -- so kam
er jetzt noch stummer, berührte oft wie ein spie¬
lendes Kind zärtlich des lesenden Albano's
Achsel und sagte, wenn dieser sich umsah:
"Nichts!" Albano fragte indeß der Verände¬
rung nicht nach; denn er wußte, er entschleiere
sie ihm doch zur rechten Zeit. Ihre Herzen
standen wie offne Spiegel gegeneinander.

So lag nun der dunkle Wald des Lebens
mit durcheinander und tief ins Dickigt hinein
laufenden Steigen vor Albano, als er auf dem
Kreuzwege seiner Zukunft stand und auf den
Genius wartete, der entweder als ein feindseeli¬

te was er denken ſollte. Wie wenig konnt' er
ſonſt das Geſchrei eines geprügelten Hundes er¬
tragen, ohne zur Hausthüre als Schutzherr hin¬
auszufahren, weil er glaubte, man könne wohl
Menſchen wie Hunde traktiren aber Hunde
nicht! — Jetzt konnt' er das Schreien hören,
bloß weil er es wie es ſchien nicht hörte.

Wie er ſonſt oft zu Albano gieng um bloß
auf und ab und fortzugehen ohne ein lautes
Wort — weil er ſagte: „daran erkenn' ich eben
„den Freund, daß er mich oder ſich nicht unter¬
„halten ſondern bloß da ſitzten will“ — ſo kam
er jetzt noch ſtummer, berührte oft wie ein ſpie¬
lendes Kind zärtlich des leſenden Albano's
Achſel und ſagte, wenn dieſer ſich umſah:
„Nichts!“ Albano fragte indeß der Verände¬
rung nicht nach; denn er wußte, er entſchleiere
ſie ihm doch zur rechten Zeit. Ihre Herzen
ſtanden wie offne Spiegel gegeneinander.

So lag nun der dunkle Wald des Lebens
mit durcheinander und tief ins Dickigt hinein
laufenden Steigen vor Albano, als er auf dem
Kreuzwege ſeiner Zukunft ſtand und auf den
Genius wartete, der entweder als ein feindſeeli¬

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[341/0353] te was er denken ſollte. Wie wenig konnt' er ſonſt das Geſchrei eines geprügelten Hundes er¬ tragen, ohne zur Hausthüre als Schutzherr hin¬ auszufahren, weil er glaubte, man könne wohl Menſchen wie Hunde traktiren aber Hunde nicht! — Jetzt konnt' er das Schreien hören, bloß weil er es wie es ſchien nicht hörte. Wie er ſonſt oft zu Albano gieng um bloß auf und ab und fortzugehen ohne ein lautes Wort — weil er ſagte: „daran erkenn' ich eben „den Freund, daß er mich oder ſich nicht unter¬ „halten ſondern bloß da ſitzten will“ — ſo kam er jetzt noch ſtummer, berührte oft wie ein ſpie¬ lendes Kind zärtlich des leſenden Albano's Achſel und ſagte, wenn dieſer ſich umſah: „Nichts!“ Albano fragte indeß der Verände¬ rung nicht nach; denn er wußte, er entſchleiere ſie ihm doch zur rechten Zeit. Ihre Herzen ſtanden wie offne Spiegel gegeneinander. So lag nun der dunkle Wald des Lebens mit durcheinander und tief ins Dickigt hinein laufenden Steigen vor Albano, als er auf dem Kreuzwege ſeiner Zukunft ſtand und auf den Genius wartete, der entweder als ein feindſeeli¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/353>, abgerufen am 24.11.2024.