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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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Fürstin schon seit Jahren unauflößlich an, Alles
verschweigend und alle ihre "Stelldicheine"
(Rendes Vous) begünstigend, bloß weil sie sag¬
te: meine Fürstin ist rein wie Gold und nur
wenige kennen sie wie ich.

Günstiger konnte Albano's Wunsche kein
Zufall kommen. Er stand am frühesten auf
der schönen Sternwarte mitten in der lieblichen
Nacht. Es war einige Tage nach dem Voll¬
mond; seine glänzende Welt verschloß sich noch
hinter die Erde, aber das angelassene Spring¬
wasser seiner Strahlen hob sich in Ansätzen her¬
auf. Auf allen Bergspitzen schimmerte schon
ein blasses Licht, als falle der ferne Morgen
überirrdischer Welten auf sie. Durch die Thäler
streckte sich noch das lichtscheue schwarze Er¬
denthier der Nacht aus und bäumte sich auf
gegen die Berge. Das Bergschloß Lianens war
unsichtbar und zeigte wie ein Welt-Stern nur
ein Licht. Plötzlich war der Herbstpurpur auf
allen Gipfeln um das Schloß vom Monde sil¬
bern bethauet und es regnete leuchtend an den
weissen Wänden und in die weissen Gänge des
Gartens nieder -- endlich lag ein fremder blas¬

Fürſtin ſchon ſeit Jahren unauflößlich an, Alles
verſchweigend und alle ihre „Stelldicheine“
(Rendès Vous) begünſtigend, bloß weil ſie ſag¬
te: meine Fürſtin iſt rein wie Gold und nur
wenige kennen ſie wie ich.

Günſtiger konnte Albano's Wunſche kein
Zufall kommen. Er ſtand am früheſten auf
der ſchönen Sternwarte mitten in der lieblichen
Nacht. Es war einige Tage nach dem Voll¬
mond; ſeine glänzende Welt verſchloß ſich noch
hinter die Erde, aber das angelaſſene Spring¬
waſſer ſeiner Strahlen hob ſich in Anſätzen her¬
auf. Auf allen Bergſpitzen ſchimmerte ſchon
ein blaſſes Licht, als falle der ferne Morgen
überirrdiſcher Welten auf ſie. Durch die Thäler
ſtreckte ſich noch das lichtſcheue ſchwarze Er¬
denthier der Nacht aus und bäumte ſich auf
gegen die Berge. Das Bergſchloß Lianens war
unſichtbar und zeigte wie ein Welt-Stern nur
ein Licht. Plötzlich war der Herbſtpurpur auf
allen Gipfeln um das Schloß vom Monde ſil¬
bern bethauet und es regnete leuchtend an den
weiſſen Wänden und in die weiſſen Gänge des
Gartens nieder — endlich lag ein fremder blas¬

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[329/0341] Fürſtin ſchon ſeit Jahren unauflößlich an, Alles verſchweigend und alle ihre „Stelldicheine“ (Rendès Vous) begünſtigend, bloß weil ſie ſag¬ te: meine Fürſtin iſt rein wie Gold und nur wenige kennen ſie wie ich. Günſtiger konnte Albano's Wunſche kein Zufall kommen. Er ſtand am früheſten auf der ſchönen Sternwarte mitten in der lieblichen Nacht. Es war einige Tage nach dem Voll¬ mond; ſeine glänzende Welt verſchloß ſich noch hinter die Erde, aber das angelaſſene Spring¬ waſſer ſeiner Strahlen hob ſich in Anſätzen her¬ auf. Auf allen Bergſpitzen ſchimmerte ſchon ein blaſſes Licht, als falle der ferne Morgen überirrdiſcher Welten auf ſie. Durch die Thäler ſtreckte ſich noch das lichtſcheue ſchwarze Er¬ denthier der Nacht aus und bäumte ſich auf gegen die Berge. Das Bergſchloß Lianens war unſichtbar und zeigte wie ein Welt-Stern nur ein Licht. Plötzlich war der Herbſtpurpur auf allen Gipfeln um das Schloß vom Monde ſil¬ bern bethauet und es regnete leuchtend an den weiſſen Wänden und in die weiſſen Gänge des Gartens nieder — endlich lag ein fremder blas¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/341>, abgerufen am 24.11.2024.