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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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ben und schwebst unsichtbar ohne eine im Him¬
mel! Niemand entheilige Deine Unwissenheit
durch eine Belehrung! Sind Deine kleinen weis¬
sen Blüthen gefallen: so kommen sie nicht wie¬
der, und um Deine Früchte deckt dann nur die
Bescheidenheit ihr Laub.

Schmerzhaft zertheilte sich in Albano das
Herz in Widersprüche, gleichsam in seines und
in Lianens Herz Sie war Nichts als die lau¬
tere Liebe und Demuth, und ihr Talentenglanz
war nur ein fremder Besatz, wie Götterbilder
von weissem Marmor den bunten nur als Zier¬
rath haben; man konnte nichts thun als sie
anbeten, sogar auf ihren Irrwegen. Auf der
andern Seite hatte sie neben weichen, bewegli¬
chen Gefühlen so feste Meinungen und Irr¬
thümer, seine Bescheidenheit bekriegte so vergeb¬
lich ihre Demuth, und sein Ansehn ihren Gei¬
sterwahn. Das feindseelige Gefolge, das dieser
nachschleppte, sah er so deutlich über alle Freu¬
den ihres Lebens herziehen. Sein ihm ewig
nachstellender Argwohn, daß sie ihn liebe, bloß
weil sie nichts hasse, und daß sie immer eine
Schwester statt einer Liebhaberinn sey, drang wie¬

ben und ſchwebſt unſichtbar ohne eine im Him¬
mel! Niemand entheilige Deine Unwiſſenheit
durch eine Belehrung! Sind Deine kleinen weis¬
ſen Blüthen gefallen: ſo kommen ſie nicht wie¬
der, und um Deine Früchte deckt dann nur die
Beſcheidenheit ihr Laub.

Schmerzhaft zertheilte ſich in Albano das
Herz in Widerſprüche, gleichſam in ſeines und
in Lianens Herz Sie war Nichts als die lau¬
tere Liebe und Demuth, und ihr Talentenglanz
war nur ein fremder Beſatz, wie Götterbilder
von weiſſem Marmor den bunten nur als Zier¬
rath haben; man konnte nichts thun als ſie
anbeten, ſogar auf ihren Irrwegen. Auf der
andern Seite hatte ſie neben weichen, bewegli¬
chen Gefühlen ſo feſte Meinungen und Irr¬
thümer, ſeine Beſcheidenheit bekriegte ſo vergeb¬
lich ihre Demuth, und ſein Anſehn ihren Gei¬
ſterwahn. Das feindſeelige Gefolge, das dieſer
nachſchleppte, ſah er ſo deutlich über alle Freu¬
den ihres Lebens herziehen. Sein ihm ewig
nachſtellender Argwohn, daß ſie ihn liebe, bloß
weil ſie nichts haſſe, und daß ſie immer eine
Schweſter ſtatt einer Liebhaberinn ſey, drang wie¬

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[22/0034] ben und ſchwebſt unſichtbar ohne eine im Him¬ mel! Niemand entheilige Deine Unwiſſenheit durch eine Belehrung! Sind Deine kleinen weis¬ ſen Blüthen gefallen: ſo kommen ſie nicht wie¬ der, und um Deine Früchte deckt dann nur die Beſcheidenheit ihr Laub. Schmerzhaft zertheilte ſich in Albano das Herz in Widerſprüche, gleichſam in ſeines und in Lianens Herz Sie war Nichts als die lau¬ tere Liebe und Demuth, und ihr Talentenglanz war nur ein fremder Beſatz, wie Götterbilder von weiſſem Marmor den bunten nur als Zier¬ rath haben; man konnte nichts thun als ſie anbeten, ſogar auf ihren Irrwegen. Auf der andern Seite hatte ſie neben weichen, bewegli¬ chen Gefühlen ſo feſte Meinungen und Irr¬ thümer, ſeine Beſcheidenheit bekriegte ſo vergeb¬ lich ihre Demuth, und ſein Anſehn ihren Gei¬ ſterwahn. Das feindſeelige Gefolge, das dieſer nachſchleppte, ſah er ſo deutlich über alle Freu¬ den ihres Lebens herziehen. Sein ihm ewig nachſtellender Argwohn, daß ſie ihn liebe, bloß weil ſie nichts haſſe, und daß ſie immer eine Schweſter ſtatt einer Liebhaberinn ſey, drang wie¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/34>, abgerufen am 21.11.2024.