Abkürzung und Abwechslung ihrer Langweile besteht.
Kaum hatte der Hof seine erste Sehnsucht nach dem Volke, mit welchem er eine halbe Viertelstunde auf vertraulichem, dialogischem Fuß lebte, gestillt: so kam er wieder zu sich selber und zerstreuete sich in den fürstlichen Garten, um die Sehnsucht nach der Natur in nicht kür¬ zerer Zeit zu befriedigen. Eine Zeugin der Tauf¬ zeugin versprach an der Fürstin und des Kin¬ des Statt Christenthum. Diese selber knüpfte den Minister wie einen Kammerherrn an sich. Der Altgevatter sah in einen verdammt langen Abend hinaus, worin er ihre Prozessionsfahne würde herumtragen müssen. Zum Genuß des Abends war Konzert, und zum Genusse des Konzerts Spiel arrangirt; und zum Genusse des Letztern hatte sich die Fürstin mit Froulay allein gesetzt, um unter dem allgemeinen Spie¬ len der Instrumente und Karten ungehört mit ihm zu reden. Plötzlich wurden die zwei Pfun¬ de, die in seiner Brust aufgehangen waren -- denn mehr wiegt nach den Anatomen kein Herz -- um zwei Zentner schwerer, als sie ihn fragte,
ob
Abkürzung und Abwechslung ihrer Langweile beſteht.
Kaum hatte der Hof ſeine erſte Sehnſucht nach dem Volke, mit welchem er eine halbe Viertelſtunde auf vertraulichem, dialogiſchem Fuß lebte, geſtillt: ſo kam er wieder zu ſich ſelber und zerſtreuete ſich in den fürſtlichen Garten, um die Sehnſucht nach der Natur in nicht kür¬ zerer Zeit zu befriedigen. Eine Zeugin der Tauf¬ zeugin verſprach an der Fürſtin und des Kin¬ des Statt Chriſtenthum. Dieſe ſelber knüpfte den Miniſter wie einen Kammerherrn an ſich. Der Altgevatter ſah in einen verdammt langen Abend hinaus, worin er ihre Prozeſſionsfahne würde herumtragen müſſen. Zum Genuß des Abends war Konzert, und zum Genuſſe des Konzerts Spiel arrangirt; und zum Genuſſe des Letztern hatte ſich die Fürſtin mit Froulay allein geſetzt, um unter dem allgemeinen Spie¬ len der Inſtrumente und Karten ungehört mit ihm zu reden. Plötzlich wurden die zwei Pfun¬ de, die in ſeiner Bruſt aufgehangen waren — denn mehr wiegt nach den Anatomen kein Herz — um zwei Zentner ſchwerer, als ſie ihn fragte,
ob
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0332"n="320"/>
Abkürzung und Abwechslung ihrer Langweile<lb/>
beſteht.</p><lb/><p>Kaum hatte der Hof ſeine erſte Sehnſucht<lb/>
nach dem Volke, mit welchem er eine halbe<lb/>
Viertelſtunde auf vertraulichem, dialogiſchem Fuß<lb/>
lebte, geſtillt: ſo kam er wieder zu ſich ſelber<lb/>
und zerſtreuete ſich in den fürſtlichen Garten,<lb/>
um die Sehnſucht nach der Natur in nicht kür¬<lb/>
zerer Zeit zu befriedigen. Eine Zeugin der Tauf¬<lb/>
zeugin verſprach an der Fürſtin und des Kin¬<lb/>
des Statt Chriſtenthum. Dieſe ſelber knüpfte<lb/>
den Miniſter wie einen Kammerherrn an ſich.<lb/>
Der Altgevatter ſah in einen verdammt langen<lb/>
Abend hinaus, worin er ihre Prozeſſionsfahne<lb/>
würde herumtragen müſſen. Zum Genuß des<lb/>
Abends war Konzert, und zum Genuſſe des<lb/>
Konzerts Spiel arrangirt; und zum Genuſſe<lb/>
des Letztern hatte ſich die Fürſtin mit Froulay<lb/>
allein geſetzt, um unter dem allgemeinen Spie¬<lb/>
len der Inſtrumente und Karten ungehört mit<lb/>
ihm zu reden. Plötzlich wurden die zwei Pfun¬<lb/>
de, die in ſeiner Bruſt aufgehangen waren —<lb/>
denn mehr wiegt nach den Anatomen kein Herz<lb/>— um zwei Zentner ſchwerer, als ſie ihn fragte,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ob<lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[320/0332]
Abkürzung und Abwechslung ihrer Langweile
beſteht.
Kaum hatte der Hof ſeine erſte Sehnſucht
nach dem Volke, mit welchem er eine halbe
Viertelſtunde auf vertraulichem, dialogiſchem Fuß
lebte, geſtillt: ſo kam er wieder zu ſich ſelber
und zerſtreuete ſich in den fürſtlichen Garten,
um die Sehnſucht nach der Natur in nicht kür¬
zerer Zeit zu befriedigen. Eine Zeugin der Tauf¬
zeugin verſprach an der Fürſtin und des Kin¬
des Statt Chriſtenthum. Dieſe ſelber knüpfte
den Miniſter wie einen Kammerherrn an ſich.
Der Altgevatter ſah in einen verdammt langen
Abend hinaus, worin er ihre Prozeſſionsfahne
würde herumtragen müſſen. Zum Genuß des
Abends war Konzert, und zum Genuſſe des
Konzerts Spiel arrangirt; und zum Genuſſe
des Letztern hatte ſich die Fürſtin mit Froulay
allein geſetzt, um unter dem allgemeinen Spie¬
len der Inſtrumente und Karten ungehört mit
ihm zu reden. Plötzlich wurden die zwei Pfun¬
de, die in ſeiner Bruſt aufgehangen waren —
denn mehr wiegt nach den Anatomen kein Herz
— um zwei Zentner ſchwerer, als ſie ihn fragte,
ob
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/332>, abgerufen am 05.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.