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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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seinem Deßendenten unter dem Arm noch wei¬
ter herauf zu machen und oben auf dem Throne,
ihr, der Fürstin selber sein Landeskindlein in
die Arme zu legen. Gern lassen sich Fürsten
herunter -- an dünnen Raupenfaden -- (wie
hinauf); sie schätzen das gute dumme Volk und
wollen die armen Kriech- und Zwergbohnen --
denn sie wissen wohl, wie wenig daran ist --
dadurch etwas heben und so zu sagen stängeln
und stiefeln, durch das Fürstenstuhl-Bein. Der
Minister war als sogenannter "Altgevatter"
ohnedies invitirt. Der Herbsttag war heller,
lauterer Frühling, und die Herbstnacht stand
unter einem glänzenden Vollmond. Höfe wün¬
schen sich so sehr auf das Land, in die Idyllen
murmelnder Quellen, rauschender Gipfel und
blökender Schweizereien und Pächter hinein; --
Höfe -- d. h. Hofleute, Hofdamen und dienen¬
de Kammerherrnstäbe und andere -- sehnen sich
so sehr unter Menschen; wie Thiere der De¬
zember-Hunger, so treibt sie ein edler vom Thron-
Gebirge in die platten Ebenen herab; nicht daß
sie die Langweile flöhen, sondern sie begehren
nur eine andere, da ihre Kurzweile eben in der

ſeinem Deſzendenten unter dem Arm noch wei¬
ter herauf zu machen und oben auf dem Throne,
ihr, der Fürſtin ſelber ſein Landeskindlein in
die Arme zu legen. Gern laſſen ſich Fürſten
herunter — an dünnen Raupenfaden — (wie
hinauf); ſie ſchätzen das gute dumme Volk und
wollen die armen Kriech- und Zwergbohnen —
denn ſie wiſſen wohl, wie wenig daran iſt —
dadurch etwas heben und ſo zu ſagen ſtängeln
und ſtiefeln, durch das Fürſtenſtuhl-Bein. Der
Miniſter war als ſogenannter „Altgevatter“
ohnedies invitirt. Der Herbſttag war heller,
lauterer Frühling, und die Herbſtnacht ſtand
unter einem glänzenden Vollmond. Höfe wün¬
ſchen ſich ſo ſehr auf das Land, in die Idyllen
murmelnder Quellen, rauſchender Gipfel und
blökender Schweizereien und Pächter hinein; —
Höfe — d. h. Hofleute, Hofdamen und dienen¬
de Kammerherrnſtäbe und andere — ſehnen ſich
ſo ſehr unter Menſchen; wie Thiere der De¬
zember-Hunger, ſo treibt ſie ein edler vom Thron-
Gebirge in die platten Ebenen herab; nicht daß
ſie die Langweile flöhen, ſondern ſie begehren
nur eine andere, da ihre Kurzweile eben in der

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[319/0331] ſeinem Deſzendenten unter dem Arm noch wei¬ ter herauf zu machen und oben auf dem Throne, ihr, der Fürſtin ſelber ſein Landeskindlein in die Arme zu legen. Gern laſſen ſich Fürſten herunter — an dünnen Raupenfaden — (wie hinauf); ſie ſchätzen das gute dumme Volk und wollen die armen Kriech- und Zwergbohnen — denn ſie wiſſen wohl, wie wenig daran iſt — dadurch etwas heben und ſo zu ſagen ſtängeln und ſtiefeln, durch das Fürſtenſtuhl-Bein. Der Miniſter war als ſogenannter „Altgevatter“ ohnedies invitirt. Der Herbſttag war heller, lauterer Frühling, und die Herbſtnacht ſtand unter einem glänzenden Vollmond. Höfe wün¬ ſchen ſich ſo ſehr auf das Land, in die Idyllen murmelnder Quellen, rauſchender Gipfel und blökender Schweizereien und Pächter hinein; — Höfe — d. h. Hofleute, Hofdamen und dienen¬ de Kammerherrnſtäbe und andere — ſehnen ſich ſo ſehr unter Menſchen; wie Thiere der De¬ zember-Hunger, ſo treibt ſie ein edler vom Thron- Gebirge in die platten Ebenen herab; nicht daß ſie die Langweile flöhen, ſondern ſie begehren nur eine andere, da ihre Kurzweile eben in der

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/331>, abgerufen am 24.11.2024.