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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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wurde noch Nichts von ihm begehrt, als daß
er zuweilen unversehends einen geheimen Blick
voll liebender Zartheit auf sie hinschieße; auch
mußt' er sich sehnen. Jenen schoß er hin; Seh¬
nen trieb er auch auf; -- und so stand er sich
für ein solches Liebes-Glück noch glücklich genug.

Aber dabei blieb es nicht. Kaum war ihr
Albano erschienen: so wurde der Stachelgürtel
und das Härenhemd des reinen Ministers un¬
verhältnißmäßig rauher und stechender gemacht
und die stärksten Foderungen nämlich Gaben
verdoppelt, damit der arme Joseph schneller
ihre Ehre anfiele und dadurch in seinen Unter¬
gang rennte, der des Grafen Köder werden
sollte. Jetzt war er schon so weit herabge¬
bracht, daß er in ihrem Flughaar für ihn gif¬
tiges Raupenhaar webte und knöppelte -- er
mußte Seufzer-Seifenblasen aus seiner Pfeife
auftreiben -- er mußte öfter ausser sich seyn, ja
sogar (wollt' er sich nicht als einen heuchleri¬
schen Schuft fortgejagt sehen) halb-sinnlich wer¬
den, obwohl noch dezent genug. Inzwischen
zu einer Versuchung war er vom Teufel selber
nicht zu versuchen. Wenn er nur daran dach¬

wurde noch Nichts von ihm begehrt, als daß
er zuweilen unverſehends einen geheimen Blick
voll liebender Zartheit auf ſie hinſchieße; auch
mußt' er ſich ſehnen. Jenen ſchoß er hin; Seh¬
nen trieb er auch auf; — und ſo ſtand er ſich
für ein ſolches Liebes-Glück noch glücklich genug.

Aber dabei blieb es nicht. Kaum war ihr
Albano erſchienen: ſo wurde der Stachelgürtel
und das Härenhemd des reinen Miniſters un¬
verhältnißmäßig rauher und ſtechender gemacht
und die ſtärkſten Foderungen nämlich Gaben
verdoppelt, damit der arme Joſeph ſchneller
ihre Ehre anfiele und dadurch in ſeinen Unter¬
gang rennte, der des Grafen Köder werden
ſollte. Jetzt war er ſchon ſo weit herabge¬
bracht, daß er in ihrem Flughaar für ihn gif¬
tiges Raupenhaar webte und knöppelte — er
mußte Seufzer-Seifenblaſen aus ſeiner Pfeife
auftreiben — er mußte öfter auſſer ſich ſeyn, ja
ſogar (wollt' er ſich nicht als einen heuchleri¬
ſchen Schuft fortgejagt ſehen) halb-ſinnlich wer¬
den, obwohl noch dezent genug. Inzwiſchen
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[315/0327] wurde noch Nichts von ihm begehrt, als daß er zuweilen unverſehends einen geheimen Blick voll liebender Zartheit auf ſie hinſchieße; auch mußt' er ſich ſehnen. Jenen ſchoß er hin; Seh¬ nen trieb er auch auf; — und ſo ſtand er ſich für ein ſolches Liebes-Glück noch glücklich genug. Aber dabei blieb es nicht. Kaum war ihr Albano erſchienen: ſo wurde der Stachelgürtel und das Härenhemd des reinen Miniſters un¬ verhältnißmäßig rauher und ſtechender gemacht und die ſtärkſten Foderungen nämlich Gaben verdoppelt, damit der arme Joſeph ſchneller ihre Ehre anfiele und dadurch in ſeinen Unter¬ gang rennte, der des Grafen Köder werden ſollte. Jetzt war er ſchon ſo weit herabge¬ bracht, daß er in ihrem Flughaar für ihn gif¬ tiges Raupenhaar webte und knöppelte — er mußte Seufzer-Seifenblaſen aus ſeiner Pfeife auftreiben — er mußte öfter auſſer ſich ſeyn, ja ſogar (wollt' er ſich nicht als einen heuchleri¬ ſchen Schuft fortgejagt ſehen) halb-ſinnlich wer¬ den, obwohl noch dezent genug. Inzwiſchen zu einer Verſuchung war er vom Teufel ſelber nicht zu verſuchen. Wenn er nur daran dach¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/327>, abgerufen am 24.11.2024.