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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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Direktrice, der Fürstin, so vertheilt, daß sie sel¬
ber die Fürstin bekam -- Julienne die vertrau¬
te Leonore -- Albano den Dichter Tasso -- ein
jungwangiger Kammerherr den Herzog -- und
Froulay Alphonso. Dieser Letztere -- der Kunst¬
stücke Kunstwerken vorzuziehen wußte und die
fürstliche Kammer jeder Kunstkammer -- stand
wider sein Herz zum Einfahren in den Musen¬
berg fertig da, von der Fürstin mit dem Berg¬
habit dazu angethan. So täglich mehr in die
poetische Mode eingezwängt sah er freilich aus
wie sonst eine Mißgeburt, die absichtlich mit
angebohrnen Pluderhosen, Kopfputzen und der¬
gleichen auf die Welt trat, um den modischen
Weltlauf so zu verdammen wie ein Kassel'scher
Gassenkehrer.

Albano las mit äußerer und innerer Gluth
-- nicht gegen die lesende sondern gegen die
vorgelesene Fürstin, aus Angewohnheit seines
unter dem Leben fortglühenden Herzens -- und
die Fürstin las die Rolle ihrer Rolle freilich
sehr gut. Ihr artistisches Gefühl sagte ihr es
-- auch ohne Einblasen des zärtlichen --, daß
in Göthe's Tasso -- der sich meistens zum ita¬

Direktrice, der Fürſtin, ſo vertheilt, daß ſie ſel¬
ber die Fürſtin bekam — Julienne die vertrau¬
te Leonore — Albano den Dichter Taſſo — ein
jungwangiger Kammerherr den Herzog — und
Froulay Alphonſo. Dieſer Letztere — der Kunſt¬
ſtücke Kunſtwerken vorzuziehen wußte und die
fürſtliche Kammer jeder Kunſtkammer — ſtand
wider ſein Herz zum Einfahren in den Muſen¬
berg fertig da, von der Fürſtin mit dem Berg¬
habit dazu angethan. So täglich mehr in die
poetiſche Mode eingezwängt ſah er freilich aus
wie ſonſt eine Mißgeburt, die abſichtlich mit
angebohrnen Pluderhoſen, Kopfputzen und der¬
gleichen auf die Welt trat, um den modiſchen
Weltlauf ſo zu verdammen wie ein Kaſſel'ſcher
Gaſſenkehrer.

Albano las mit äußerer und innerer Gluth
— nicht gegen die leſende ſondern gegen die
vorgeleſene Fürſtin, aus Angewohnheit ſeines
unter dem Leben fortglühenden Herzens — und
die Fürſtin las die Rolle ihrer Rolle freilich
ſehr gut. Ihr artiſtiſches Gefühl ſagte ihr es
— auch ohne Einblaſen des zärtlichen —, daß
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[306/0318] Direktrice, der Fürſtin, ſo vertheilt, daß ſie ſel¬ ber die Fürſtin bekam — Julienne die vertrau¬ te Leonore — Albano den Dichter Taſſo — ein jungwangiger Kammerherr den Herzog — und Froulay Alphonſo. Dieſer Letztere — der Kunſt¬ ſtücke Kunſtwerken vorzuziehen wußte und die fürſtliche Kammer jeder Kunſtkammer — ſtand wider ſein Herz zum Einfahren in den Muſen¬ berg fertig da, von der Fürſtin mit dem Berg¬ habit dazu angethan. So täglich mehr in die poetiſche Mode eingezwängt ſah er freilich aus wie ſonſt eine Mißgeburt, die abſichtlich mit angebohrnen Pluderhoſen, Kopfputzen und der¬ gleichen auf die Welt trat, um den modiſchen Weltlauf ſo zu verdammen wie ein Kaſſel'ſcher Gaſſenkehrer. Albano las mit äußerer und innerer Gluth — nicht gegen die leſende ſondern gegen die vorgeleſene Fürſtin, aus Angewohnheit ſeines unter dem Leben fortglühenden Herzens — und die Fürſtin las die Rolle ihrer Rolle freilich ſehr gut. Ihr artiſtiſches Gefühl ſagte ihr es — auch ohne Einblaſen des zärtlichen —, daß in Göthe's Taſſo — der ſich meiſtens zum ita¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/318>, abgerufen am 24.11.2024.