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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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Auf diese Weise erschien sie dem Grafen, sei¬
nes Vaters täglich werther. Wie in einen warmen
Sonnenschein des Frühlings trat er zum ersten¬
mal in den schmeichelnden Zauberkreis der weib¬
lichen Freundschaft, die auch hier der Liebe zwei
Schwingen goß und formte aus den Wachs¬
zellen des genossenen Honigs; es war aber bei
ihm die Liebe gegen Liane, der die Freundin
am leichtesten Flügel nach Italien geben konn¬
te. Er fühlte, daß bald eine Stunde der über¬
fließenden Achtung schlagen werde, wo er ihr
den hoch ummauerten Klostergarten seiner vo¬
rigen Liebe vertrauend öffnen könnte. Denn
sie machte ihm so oft Raum, ihr nahe zu seyn,
als es nur der enge Bezirk eines Thrones und
die alles verrathende hohe Lage desselben ver¬
gönnen wollten. Aber Etwas störte, bewachte
bekriegte beide, eine wie es schien nebenbuhle¬
rische Nachbarin. Es war die sonderbare Ju¬
lienne, die immer, wenn es angieng, aus ihrer
Loge auf die Bühne der Fürstin trat und das
Spiel verwirrte. Häufig kam sie ihm nach; ei¬
nigemale hatt' er von ihr Einladungen bekom¬
men, wenn gerade die der Fürstin nachfolgten,

denen

Auf dieſe Weiſe erſchien ſie dem Grafen, ſei¬
nes Vaters täglich werther. Wie in einen warmen
Sonnenſchein des Frühlings trat er zum erſten¬
mal in den ſchmeichelnden Zauberkreis der weib¬
lichen Freundſchaft, die auch hier der Liebe zwei
Schwingen goß und formte aus den Wachs¬
zellen des genoſſenen Honigs; es war aber bei
ihm die Liebe gegen Liane, der die Freundin
am leichteſten Flügel nach Italien geben konn¬
te. Er fühlte, daß bald eine Stunde der über¬
fließenden Achtung ſchlagen werde, wo er ihr
den hoch ummauerten Kloſtergarten ſeiner vo¬
rigen Liebe vertrauend öffnen könnte. Denn
ſie machte ihm ſo oft Raum, ihr nahe zu ſeyn,
als es nur der enge Bezirk eines Thrones und
die alles verrathende hohe Lage deſſelben ver¬
gönnen wollten. Aber Etwas ſtörte, bewachte
bekriegte beide, eine wie es ſchien nebenbuhle¬
riſche Nachbarin. Es war die ſonderbare Ju¬
lienne, die immer, wenn es angieng, aus ihrer
Loge auf die Bühne der Fürſtin trat und das
Spiel verwirrte. Häufig kam ſie ihm nach; ei¬
nigemale hatt' er von ihr Einladungen bekom¬
men, wenn gerade die der Fürſtin nachfolgten,

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[304/0316] Auf dieſe Weiſe erſchien ſie dem Grafen, ſei¬ nes Vaters täglich werther. Wie in einen warmen Sonnenſchein des Frühlings trat er zum erſten¬ mal in den ſchmeichelnden Zauberkreis der weib¬ lichen Freundſchaft, die auch hier der Liebe zwei Schwingen goß und formte aus den Wachs¬ zellen des genoſſenen Honigs; es war aber bei ihm die Liebe gegen Liane, der die Freundin am leichteſten Flügel nach Italien geben konn¬ te. Er fühlte, daß bald eine Stunde der über¬ fließenden Achtung ſchlagen werde, wo er ihr den hoch ummauerten Kloſtergarten ſeiner vo¬ rigen Liebe vertrauend öffnen könnte. Denn ſie machte ihm ſo oft Raum, ihr nahe zu ſeyn, als es nur der enge Bezirk eines Thrones und die alles verrathende hohe Lage deſſelben ver¬ gönnen wollten. Aber Etwas ſtörte, bewachte bekriegte beide, eine wie es ſchien nebenbuhle¬ riſche Nachbarin. Es war die ſonderbare Ju¬ lienne, die immer, wenn es angieng, aus ihrer Loge auf die Bühne der Fürſtin trat und das Spiel verwirrte. Häufig kam ſie ihm nach; ei¬ nigemale hatt' er von ihr Einladungen bekom¬ men, wenn gerade die der Fürſtin nachfolgten, denen

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/316>, abgerufen am 24.11.2024.