und die frommen Augen erquickt die Höhen maßen!-- Ein Mensch, der mit der Geliebten nach Italien reiset, hat dadurch, eben weil er Eines von beiden entbehren könnte, beide ver¬ doppelt. Und Albano hoffte diese Seeligkeit, da alle Zeugnisse, die ihm über Lianens Gene¬ sung begegneten, diese versprachen. Den D. Sphex -- der Einzige, der für sie eine Grube öffnete und darin die Todtenglocke goß und jedem schwur, mit den Blättern falle sie -- sah er nicht mehr. Er wollte indeß -- sagt' er sich -- bei der ganzen Mitreise nur ihr Glück, gar nicht ihre Liebe. So sah er sich immer in sei¬ nem Selbst-Spiegel, nämlich nur verschleiert; so hielt er sich oft für zu hart, wiewohl er es so wenig war; so hielt er sich für den Sieger über sein Herz, als sein schönes Angesicht schon kranke, blasse Farben trug.
Die Gegenwart stand noch dunkel über ihm, aber ihre benachbarten Zeiten, die Zu¬ kunft und Vergangenheit lagen voll Licht. Wel¬ che Reise, worauf eine Geliebte, ein Vater, ein Freund, eine Freundin schon unterwegs die
und die frommen Augen erquickt die Höhen maßen!— Ein Menſch, der mit der Geliebten nach Italien reiſet, hat dadurch, eben weil er Eines von beiden entbehren könnte, beide ver¬ doppelt. Und Albano hoffte dieſe Seeligkeit, da alle Zeugniſſe, die ihm über Lianens Gene¬ ſung begegneten, dieſe verſprachen. Den D. Sphex — der Einzige, der für ſie eine Grube öffnete und darin die Todtenglocke goß und jedem ſchwur, mit den Blättern falle ſie — ſah er nicht mehr. Er wollte indeß — ſagt' er ſich — bei der ganzen Mitreiſe nur ihr Glück, gar nicht ihre Liebe. So ſah er ſich immer in ſei¬ nem Selbſt-Spiegel, nämlich nur verſchleiert; ſo hielt er ſich oft für zu hart, wiewohl er es ſo wenig war; ſo hielt er ſich für den Sieger über ſein Herz, als ſein ſchönes Angeſicht ſchon kranke, blaſſe Farben trug.
Die Gegenwart ſtand noch dunkel über ihm, aber ihre benachbarten Zeiten, die Zu¬ kunft und Vergangenheit lagen voll Licht. Wel¬ che Reiſe, worauf eine Geliebte, ein Vater, ein Freund, eine Freundin ſchon unterwegs die
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0313"n="301"/>
und die frommen Augen erquickt die Höhen<lb/>
maßen!— Ein Menſch, der mit der Geliebten<lb/>
nach Italien reiſet, hat dadurch, eben weil er<lb/>
Eines von beiden entbehren könnte, beide ver¬<lb/>
doppelt. Und Albano hoffte dieſe Seeligkeit,<lb/>
da alle Zeugniſſe, die ihm über Lianens Gene¬<lb/>ſung begegneten, dieſe verſprachen. Den D.<lb/>
Sphex — der Einzige, der für ſie eine Grube<lb/>
öffnete und darin die Todtenglocke goß und<lb/>
jedem ſchwur, mit den Blättern falle ſie —ſah<lb/>
er nicht mehr. Er wollte indeß —ſagt' er ſich<lb/>— bei der ganzen Mitreiſe nur ihr Glück, gar<lb/>
nicht ihre Liebe. So ſah er ſich immer in ſei¬<lb/>
nem Selbſt-Spiegel, nämlich nur verſchleiert;<lb/>ſo hielt er ſich oft für zu hart, wiewohl er es<lb/>ſo wenig war; ſo hielt er ſich für den Sieger<lb/>
über ſein Herz, als ſein ſchönes Angeſicht ſchon<lb/>
kranke, blaſſe Farben trug.</p><lb/><p>Die Gegenwart ſtand noch dunkel über<lb/>
ihm, aber ihre benachbarten Zeiten, die Zu¬<lb/>
kunft und Vergangenheit lagen voll Licht. Wel¬<lb/>
che Reiſe, worauf eine Geliebte, ein Vater, ein<lb/>
Freund, eine Freundin ſchon unterwegs die<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[301/0313]
und die frommen Augen erquickt die Höhen
maßen!— Ein Menſch, der mit der Geliebten
nach Italien reiſet, hat dadurch, eben weil er
Eines von beiden entbehren könnte, beide ver¬
doppelt. Und Albano hoffte dieſe Seeligkeit,
da alle Zeugniſſe, die ihm über Lianens Gene¬
ſung begegneten, dieſe verſprachen. Den D.
Sphex — der Einzige, der für ſie eine Grube
öffnete und darin die Todtenglocke goß und
jedem ſchwur, mit den Blättern falle ſie — ſah
er nicht mehr. Er wollte indeß — ſagt' er ſich
— bei der ganzen Mitreiſe nur ihr Glück, gar
nicht ihre Liebe. So ſah er ſich immer in ſei¬
nem Selbſt-Spiegel, nämlich nur verſchleiert;
ſo hielt er ſich oft für zu hart, wiewohl er es
ſo wenig war; ſo hielt er ſich für den Sieger
über ſein Herz, als ſein ſchönes Angeſicht ſchon
kranke, blaſſe Farben trug.
Die Gegenwart ſtand noch dunkel über
ihm, aber ihre benachbarten Zeiten, die Zu¬
kunft und Vergangenheit lagen voll Licht. Wel¬
che Reiſe, worauf eine Geliebte, ein Vater, ein
Freund, eine Freundin ſchon unterwegs die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/313>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.