Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.raschende Gegenwart; ihre Wendungen waren Heute ergriff es den wärmern Grafen stärker raſchende Gegenwart; ihre Wendungen waren Heute ergriff es den wärmern Grafen ſtärker <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0030" n="18"/> raſchende Gegenwart; ihre Wendungen waren<lb/> immer wie der Sonnenblume ihre nur langſam<lb/> und jede Empfindung lebte lange in ihrer<lb/> treuen Bruſt. Selten findet überhaupt der<lb/> Liebende den Empfang der Liebenden dem letz¬<lb/> ten Bilde ähnlich, das ihm der Abſchied mitge¬<lb/> geben; eine weibliche Seele ſoll — das begehrt<lb/> der Mann — völlig mit den Flügeln, Stür¬<lb/> men, Himmeln der letzten Minute wieder in<lb/> die nächſte brauſen. Aber von jeher empfieng<lb/> Liane ihren Freund ſcheu und ſanft, und an¬<lb/> ders als ſie geſchieden war; und zuweilen kam<lb/> dem Feuergeiſte dieſes zarte Warten, dieſes<lb/> langſame Heben des Augenlieds faſt wie ein<lb/> Umkehren in die alte Kälte vor.</p><lb/> <p>Heute ergriff es den wärmern Grafen ſtärker<lb/> als ſonſt. Wie ein Paar fremde Kinder die mit¬<lb/> einander bekannt werden ſollen und ſich anlächeln<lb/> und anrühren, ſtanden beide freundlich und ver¬<lb/> legen nebeneinander. Sie erzählte, daß ſie von<lb/> ſeiner Schweſter ſich ſein Kindeswagſtück auf<lb/> dieſem Berge erzählen laſſen. Eine Geliebte<lb/> kennt keine ſchönere, reichhaltigere Geſchichte<lb/> als die ihres Freundes. „O da ſchon, (ſagt' er<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [18/0030]
raſchende Gegenwart; ihre Wendungen waren
immer wie der Sonnenblume ihre nur langſam
und jede Empfindung lebte lange in ihrer
treuen Bruſt. Selten findet überhaupt der
Liebende den Empfang der Liebenden dem letz¬
ten Bilde ähnlich, das ihm der Abſchied mitge¬
geben; eine weibliche Seele ſoll — das begehrt
der Mann — völlig mit den Flügeln, Stür¬
men, Himmeln der letzten Minute wieder in
die nächſte brauſen. Aber von jeher empfieng
Liane ihren Freund ſcheu und ſanft, und an¬
ders als ſie geſchieden war; und zuweilen kam
dem Feuergeiſte dieſes zarte Warten, dieſes
langſame Heben des Augenlieds faſt wie ein
Umkehren in die alte Kälte vor.
Heute ergriff es den wärmern Grafen ſtärker
als ſonſt. Wie ein Paar fremde Kinder die mit¬
einander bekannt werden ſollen und ſich anlächeln
und anrühren, ſtanden beide freundlich und ver¬
legen nebeneinander. Sie erzählte, daß ſie von
ſeiner Schweſter ſich ſein Kindeswagſtück auf
dieſem Berge erzählen laſſen. Eine Geliebte
kennt keine ſchönere, reichhaltigere Geſchichte
als die ihres Freundes. „O da ſchon, (ſagt' er
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Zitationshilfe: | Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/30>, abgerufen am 25.07.2024. |