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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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sank die Unschuld Deiner Schwester ins Grab
und ich stand aufrecht auf dem Königssarg und
gieng mit hinunter.

Ich verlohr Nichts -- in mir ist keine Un¬
schuld -- ich gewann Nichts -- ich hasse die
Sinnenlust; -- der schwarze Schatte, den ei¬
nige Reue nennen, fuhr breit hinter den weg¬
gelaufenen bunten Luftbildern der Zauberlater¬
ne nach; aber ist das Schwarze weniger op¬
tisch als das Bunte?

Verdamme Deine arme Schwester nicht; sie
ist jetzt unglücklicher als ich, denn sie war glück¬
licher; aber ihre Seele ist unschuldig geblieben.
Bewahrt lag ihre Unschuld in ihrem Herzen
wie ein Kern in der steinigen Pfirsichschaale;
der Kern selber zersprengte in der nährenden,
warmen Erde seinen Panzer und drängte sich
grünend ans Licht.

Ich besuchte sie nachher. Alle ihre Seelen¬
schmerzen giengen in mich über; zu allen Tha¬
ten und Opfern für sie fühlt' ich mich leicht;
aber zu keinen Empfindungen. Macht was
Ihr wollt, Du und mein Vater, ich werde mich
in diesem dummen Stoppel-Leben, wo man in

ſank die Unſchuld Deiner Schweſter ins Grab
und ich ſtand aufrecht auf dem Königsſarg und
gieng mit hinunter.

Ich verlohr Nichts — in mir iſt keine Un¬
ſchuld — ich gewann Nichts — ich haſſe die
Sinnenluſt; — der ſchwarze Schatte, den ei¬
nige Reue nennen, fuhr breit hinter den weg¬
gelaufenen bunten Luftbildern der Zauberlater¬
ne nach; aber iſt das Schwarze weniger op¬
tiſch als das Bunte?

Verdamme Deine arme Schweſter nicht; ſie
iſt jetzt unglücklicher als ich, denn ſie war glück¬
licher; aber ihre Seele iſt unſchuldig geblieben.
Bewahrt lag ihre Unſchuld in ihrem Herzen
wie ein Kern in der ſteinigen Pfirſichſchaale;
der Kern ſelber zerſprengte in der nährenden,
warmen Erde ſeinen Panzer und drängte ſich
grünend ans Licht.

Ich beſuchte ſie nachher. Alle ihre Seelen¬
ſchmerzen giengen in mich über; zu allen Tha¬
ten und Opfern für ſie fühlt' ich mich leicht;
aber zu keinen Empfindungen. Macht was
Ihr wollt, Du und mein Vater, ich werde mich
in dieſem dummen Stoppel-Leben, wo man in

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[286/0298] ſank die Unſchuld Deiner Schweſter ins Grab und ich ſtand aufrecht auf dem Königsſarg und gieng mit hinunter. Ich verlohr Nichts — in mir iſt keine Un¬ ſchuld — ich gewann Nichts — ich haſſe die Sinnenluſt; — der ſchwarze Schatte, den ei¬ nige Reue nennen, fuhr breit hinter den weg¬ gelaufenen bunten Luftbildern der Zauberlater¬ ne nach; aber iſt das Schwarze weniger op¬ tiſch als das Bunte? Verdamme Deine arme Schweſter nicht; ſie iſt jetzt unglücklicher als ich, denn ſie war glück¬ licher; aber ihre Seele iſt unſchuldig geblieben. Bewahrt lag ihre Unſchuld in ihrem Herzen wie ein Kern in der ſteinigen Pfirſichſchaale; der Kern ſelber zerſprengte in der nährenden, warmen Erde ſeinen Panzer und drängte ſich grünend ans Licht. Ich beſuchte ſie nachher. Alle ihre Seelen¬ ſchmerzen giengen in mich über; zu allen Tha¬ ten und Opfern für ſie fühlt' ich mich leicht; aber zu keinen Empfindungen. Macht was Ihr wollt, Du und mein Vater, ich werde mich in dieſem dummen Stoppel-Leben, wo man in

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/298>, abgerufen am 24.11.2024.