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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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theil, daß die geduldige Seele, der er die Schö¬
pfung gestohlen, noch immer eingemauert sey in
die tiefste Höhle des Lebens, neben welcher blos
die tiefere des Grabes hell und offen liegt. Je¬
des sanfte, lindernde, ihm von den Wissenschaf¬
ten oder Menschen geschenkte warme Lüftchen
gieng über jene kalte Höhle und wurde für ihn
ein scharfer Nord. O, hätt' er sie aus seinen
sinkenden Armen entlassen müssen unter schöne
Tage, in ein langes, ewiges Paradies und sie
hätte ihn trunken vergessen: das hätt' er auch
vergessen können; aber daß er sie hingestoßen
in ein kaltes Schattenreich und daß sie sich sei¬
ner erinnern muß aus Schmerz -- -- nur das
mußt' er sich immer erinnern.

Schoppe wußte gegen alle diese Noth kein
"Pflaster als (nach seinem schönen Wortspiel)
"das Steinpflaster," nämlich eine Flugreise.
Wenigstens, schloß er, hören ausser Lands die
Fragen über das Befinden und die giftigen Sor¬
gen über das Antworten auf; und bei der Re¬
tour finde man viel Schmerz erspart oder gar
allen gehoben.

theil, daß die geduldige Seele, der er die Schö¬
pfung geſtohlen, noch immer eingemauert ſey in
die tiefſte Höhle des Lebens, neben welcher blos
die tiefere des Grabes hell und offen liegt. Je¬
des ſanfte, lindernde, ihm von den Wiſſenſchaf¬
ten oder Menſchen geſchenkte warme Lüftchen
gieng über jene kalte Höhle und wurde für ihn
ein ſcharfer Nord. O, hätt' er ſie aus ſeinen
ſinkenden Armen entlaſſen müſſen unter ſchöne
Tage, in ein langes, ewiges Paradies und ſie
hätte ihn trunken vergeſſen: das hätt' er auch
vergeſſen können; aber daß er ſie hingeſtoßen
in ein kaltes Schattenreich und daß ſie ſich ſei¬
ner erinnern muß aus Schmerz — — nur das
mußt' er ſich immer erinnern.

Schoppe wußte gegen alle dieſe Noth kein
„Pflaſter als (nach ſeinem ſchönen Wortſpiel)
„das Steinpflaſter,“ nämlich eine Flugreiſe.
Wenigſtens, ſchloß er, hören auſſer Lands die
Fragen über das Befinden und die giftigen Sor¬
gen über das Antworten auf; und bei der Re¬
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allen gehoben.

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[223/0235] theil, daß die geduldige Seele, der er die Schö¬ pfung geſtohlen, noch immer eingemauert ſey in die tiefſte Höhle des Lebens, neben welcher blos die tiefere des Grabes hell und offen liegt. Je¬ des ſanfte, lindernde, ihm von den Wiſſenſchaf¬ ten oder Menſchen geſchenkte warme Lüftchen gieng über jene kalte Höhle und wurde für ihn ein ſcharfer Nord. O, hätt' er ſie aus ſeinen ſinkenden Armen entlaſſen müſſen unter ſchöne Tage, in ein langes, ewiges Paradies und ſie hätte ihn trunken vergeſſen: das hätt' er auch vergeſſen können; aber daß er ſie hingeſtoßen in ein kaltes Schattenreich und daß ſie ſich ſei¬ ner erinnern muß aus Schmerz — — nur das mußt' er ſich immer erinnern. Schoppe wußte gegen alle dieſe Noth kein „Pflaſter als (nach ſeinem ſchönen Wortſpiel) „das Steinpflaſter,“ nämlich eine Flugreiſe. Wenigſtens, ſchloß er, hören auſſer Lands die Fragen über das Befinden und die giftigen Sor¬ gen über das Antworten auf; und bei der Re¬ tour finde man viel Schmerz erſpart oder gar allen gehoben.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/235>, abgerufen am 23.11.2024.