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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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gegen alle Herzen ist, die er Alle nur bereiset,
weil er keines bewohnt.

Auch Rabette schrieb dem Grafen mehrere
Klage-Zettel über den weichenden Hauptmann;
in einem sagt sie sogar: "könnt' ich Dich nur se¬
"hen, um einmal jemand zu haben, der mich
"weinen ließe, denn das Lachen kenn' ich schon
"seit geraumer Zeit nicht mehr." Der gute
Albano zeichnete auch dieses Entweichen in sein
Sündenregister ein, gleichsam als Enkel seiner
Teufelskinder.

Die Fürstin vermocht' ihn zuweilen aus
der Einsamkeit zu locken, wenn sie ihre leise
Lockpfeife an die schönen Lippen legte. Sie
schien des Vaters wegen, wahren Antheil am
trüben Sohn zu nehmen, der zwar keine Schmer¬
zen, aber auch keine Freuden zeigte. Auch das
Mann-Weib, das mehr gehelmte als gehaubte,
rückt gern unter das kranke Haupt das Ruhekissen
und unter das ohnmächtige als Lehne den Arm;
und tröstet gern und zart, oft zärter als das
zu weibliche. Fast täglich besuchte sie ihre künf¬
tige Hofdame und Gesichts-Schwester bei dem
Minister und konnte daher dem Geliebten Alles

gegen alle Herzen iſt, die er Alle nur bereiſet,
weil er keines bewohnt.

Auch Rabette ſchrieb dem Grafen mehrere
Klage-Zettel über den weichenden Hauptmann;
in einem ſagt ſie ſogar: „könnt' ich Dich nur ſe¬
„hen, um einmal jemand zu haben, der mich
„weinen ließe, denn das Lachen kenn' ich ſchon
„ſeit geraumer Zeit nicht mehr.“ Der gute
Albano zeichnete auch dieſes Entweichen in ſein
Sündenregiſter ein, gleichſam als Enkel ſeiner
Teufelskinder.

Die Fürſtin vermocht' ihn zuweilen aus
der Einſamkeit zu locken, wenn ſie ihre leiſe
Lockpfeife an die ſchönen Lippen legte. Sie
ſchien des Vaters wegen, wahren Antheil am
trüben Sohn zu nehmen, der zwar keine Schmer¬
zen, aber auch keine Freuden zeigte. Auch das
Mann-Weib, das mehr gehelmte als gehaubte,
rückt gern unter das kranke Haupt das Ruhekiſſen
und unter das ohnmächtige als Lehne den Arm;
und tröſtet gern und zart, oft zärter als das
zu weibliche. Faſt täglich beſuchte ſie ihre künf¬
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Miniſter und konnte daher dem Geliebten Alles

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[221/0233] gegen alle Herzen iſt, die er Alle nur bereiſet, weil er keines bewohnt. Auch Rabette ſchrieb dem Grafen mehrere Klage-Zettel über den weichenden Hauptmann; in einem ſagt ſie ſogar: „könnt' ich Dich nur ſe¬ „hen, um einmal jemand zu haben, der mich „weinen ließe, denn das Lachen kenn' ich ſchon „ſeit geraumer Zeit nicht mehr.“ Der gute Albano zeichnete auch dieſes Entweichen in ſein Sündenregiſter ein, gleichſam als Enkel ſeiner Teufelskinder. Die Fürſtin vermocht' ihn zuweilen aus der Einſamkeit zu locken, wenn ſie ihre leiſe Lockpfeife an die ſchönen Lippen legte. Sie ſchien des Vaters wegen, wahren Antheil am trüben Sohn zu nehmen, der zwar keine Schmer¬ zen, aber auch keine Freuden zeigte. Auch das Mann-Weib, das mehr gehelmte als gehaubte, rückt gern unter das kranke Haupt das Ruhekiſſen und unter das ohnmächtige als Lehne den Arm; und tröſtet gern und zart, oft zärter als das zu weibliche. Faſt täglich beſuchte ſie ihre künf¬ tige Hofdame und Geſichts-Schweſter bei dem Miniſter und konnte daher dem Geliebten Alles

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/233>, abgerufen am 27.11.2024.