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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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ten; denn dein Lebenszelt steht auf einer gela¬
denen Mine und rings umher halten die Stun¬
den ofne Geschosse auf dich. -- Nur das tau¬
sendste *) trift; und in jedem Fall fall' ich doch
lieber stehend als feig gebückt. Allein -- be¬
schloß er, um sogar sich darüber zu entschuldi¬
gen -- ist denn die Standhaftigkeit zu nichts
Besserm gemacht als zu einer Wundärztin und
Magd, und nicht vielmehr zu unserer Muse
und Göttin? denn sie ist ja nicht ein Gut, weil

*) Nach dem Ingenieur Borreux trifft wörtlich nur
der 1000te Schuß des kleinen Gewehrs. -- So
ists überall; fürchte den Tod, so stehen fallende
Blumentöpfe der Fenster, Blitze aus blauem
Himmel, loßgehende Windbüchsenschüsse, Herzpo¬
lypen, wüthige Hunde, Räuber, jede Fingerwunde,
aqua toffana, Schwamm-Leckerei etc. kurz die
ganze Natur -- diese immer fortgehende zerquet¬
schende Kochenillen-Mühle -- steht mit unzähli¬
gen geöfneten Parzenscheeren rings um dich, und
Du hast keinen Trost als daß -- demungeach¬
tet die Leute achtzig Jahre alt werden. --
Fürchte die Verarmung: so fassen dich Feuers-,

ten; denn dein Lebenszelt ſteht auf einer gela¬
denen Mine und rings umher halten die Stun¬
den ofne Geſchoſſe auf dich. — Nur das tau¬
ſendſte *) trift; und in jedem Fall fall' ich doch
lieber ſtehend als feig gebückt. Allein — be¬
ſchloß er, um ſogar ſich darüber zu entſchuldi¬
gen — iſt denn die Standhaftigkeit zu nichts
Beſſerm gemacht als zu einer Wundärztin und
Magd, und nicht vielmehr zu unſerer Muſe
und Göttin? denn ſie iſt ja nicht ein Gut, weil

*) Nach dem Ingenieur Borreux trifft wörtlich nur
der 1000te Schuß des kleinen Gewehrs. — So
iſts überall; fürchte den Tod, ſo ſtehen fallende
Blumentöpfe der Fenſter, Blitze aus blauem
Himmel, loßgehende Windbüchſenſchüſſe, Herzpo¬
lypen, wüthige Hunde, Räuber, jede Fingerwunde,
aqua toffana, Schwamm-Leckerei ꝛc. kurz die
ganze Natur — dieſe immer fortgehende zerquet¬
ſchende Kochenillen-Mühle — ſteht mit unzähli¬
gen geöfneten Parzenſcheeren rings um dich, und
Du haſt keinen Troſt als daß — demungeach¬
tet die Leute achtzig Jahre alt werden. —
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[10/0022] ten; denn dein Lebenszelt ſteht auf einer gela¬ denen Mine und rings umher halten die Stun¬ den ofne Geſchoſſe auf dich. — Nur das tau¬ ſendſte *) trift; und in jedem Fall fall' ich doch lieber ſtehend als feig gebückt. Allein — be¬ ſchloß er, um ſogar ſich darüber zu entſchuldi¬ gen — iſt denn die Standhaftigkeit zu nichts Beſſerm gemacht als zu einer Wundärztin und Magd, und nicht vielmehr zu unſerer Muſe und Göttin? denn ſie iſt ja nicht ein Gut, weil *) Nach dem Ingenieur Borreux trifft wörtlich nur der 1000te Schuß des kleinen Gewehrs. — So iſts überall; fürchte den Tod, ſo ſtehen fallende Blumentöpfe der Fenſter, Blitze aus blauem Himmel, loßgehende Windbüchſenſchüſſe, Herzpo¬ lypen, wüthige Hunde, Räuber, jede Fingerwunde, aqua toffana, Schwamm-Leckerei ꝛc. kurz die ganze Natur — dieſe immer fortgehende zerquet¬ ſchende Kochenillen-Mühle — ſteht mit unzähli¬ gen geöfneten Parzenſcheeren rings um dich, und Du haſt keinen Troſt als daß — demungeach¬ tet die Leute achtzig Jahre alt werden. — Fürchte die Verarmung: ſo faſſen dich Feuers-,

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/22>, abgerufen am 21.11.2024.