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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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Lianens Verhältnisse zweimal erzählen; der feu¬
rige, erzürnte Greis konnte eine Liebe gar nicht
fassen und glauben, die sich sogar vor seinen
alten Augen sollte fortgesponnen haben ohne
sein Wissen. "Ihro Excellenz (antwortete er end¬
"lich,) haben freilich gefehlet, daß Sie mir diese
"importante Begebenheit erst heute mittheilen.
"Wie leicht würd' ich Alles durch Gotteshülfe
"zu einem gesegneten Ausgang geleitet haben!
"Es ist aber Nichts verlohren. Senden Ihro
"Excellenz das Fräulein noch diese Nacht zu
"mir, aber allein, ohne Sie; das muß gesche¬
"hen; dann steh' ich für das Übrige!"

Einwendungen und Bedenklichkeiten wür¬
den blos den Ehrgeiz und Zorn des Greises --
welche Beide unter dem Eis seiner Haare fort
arbeiteten -- entzündet haben; sie sagte ihm al¬
so vertrauend Alles zu mit jenem Gehorsam,
den sie auch auf Lianen vererbet hatte.

Recht hoffend nahm Liane den Befehl der
Nachtreise zum guten, frommen Vater auf. Sie
fuhr bloß mit ihrem ergebenen Mädchen ab.
Mit tiefbewegter Seele erschien sie vor ihrem
Beichtvater. Sie eröfnete sich ihm wie einem

Lianens Verhältniſſe zweimal erzählen; der feu¬
rige, erzürnte Greis konnte eine Liebe gar nicht
faſſen und glauben, die ſich ſogar vor ſeinen
alten Augen ſollte fortgeſponnen haben ohne
ſein Wiſſen. „Ihro Excellenz (antwortete er end¬
„lich,) haben freilich gefehlet, daß Sie mir dieſe
„importante Begebenheit erſt heute mittheilen.
„Wie leicht würd' ich Alles durch Gotteshülfe
„zu einem geſegneten Ausgang geleitet haben!
„Es iſt aber Nichts verlohren. Senden Ihro
„Excellenz das Fräulein noch dieſe Nacht zu
„mir, aber allein, ohne Sie; das muß geſche¬
„hen; dann ſteh' ich für das Übrige!“

Einwendungen und Bedenklichkeiten wür¬
den blos den Ehrgeiz und Zorn des Greiſes —
welche Beide unter dem Eis ſeiner Haare fort
arbeiteten — entzündet haben; ſie ſagte ihm al¬
ſo vertrauend Alles zu mit jenem Gehorſam,
den ſie auch auf Lianen vererbet hatte.

Recht hoffend nahm Liane den Befehl der
Nachtreiſe zum guten, frommen Vater auf. Sie
fuhr bloß mit ihrem ergebenen Mädchen ab.
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[199/0211] Lianens Verhältniſſe zweimal erzählen; der feu¬ rige, erzürnte Greis konnte eine Liebe gar nicht faſſen und glauben, die ſich ſogar vor ſeinen alten Augen ſollte fortgeſponnen haben ohne ſein Wiſſen. „Ihro Excellenz (antwortete er end¬ „lich,) haben freilich gefehlet, daß Sie mir dieſe „importante Begebenheit erſt heute mittheilen. „Wie leicht würd' ich Alles durch Gotteshülfe „zu einem geſegneten Ausgang geleitet haben! „Es iſt aber Nichts verlohren. Senden Ihro „Excellenz das Fräulein noch dieſe Nacht zu „mir, aber allein, ohne Sie; das muß geſche¬ „hen; dann ſteh' ich für das Übrige!“ Einwendungen und Bedenklichkeiten wür¬ den blos den Ehrgeiz und Zorn des Greiſes — welche Beide unter dem Eis ſeiner Haare fort arbeiteten — entzündet haben; ſie ſagte ihm al¬ ſo vertrauend Alles zu mit jenem Gehorſam, den ſie auch auf Lianen vererbet hatte. Recht hoffend nahm Liane den Befehl der Nachtreiſe zum guten, frommen Vater auf. Sie fuhr bloß mit ihrem ergebenen Mädchen ab. Mit tiefbewegter Seele erſchien ſie vor ihrem Beichtvater. Sie eröfnete ſich ihm wie einem

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/211>, abgerufen am 23.11.2024.