Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802."sah er mich bittend und richtend an! -- O, Wie
„ſah er mich bittend und richtend an! — O, Wie
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„ſah er mich bittend und richtend an! — O,
„hätt' ich Dein ſchönes Haupt halten dürfen da
„Du es ſchwer an die rauhe Fichten-Rinde
„lehnteſt!“ — Was ſie in der ſchweren Mit¬
ternacht am wehmüthigſten gemacht, war ſein
ſtummes Verſchwinden geweſen; wie oft hatte
ſie nach ſeinem auſſen mit Lampen erleuchte¬
ten Donnerhäuschen hinaufgeſehen, wo innen
nur Finſterniß am Fenſter lag! Jetzt fühlte
ſie wie nah' er ihrer Seele wohne; und ſie
weinte den ganzen Morgen über die Nacht und
der Strahl der Liebe ſtach ſie immer heißer, ſo
wie Brennſpiegel die Sonne ſtärker vor uns
legen wenn ſie gerade nach Regen niederblickt.
Die Mutter wurd' ihr heute für das opfernde
worthaltende Geſtern durch zurückkommende, ver¬
trauende Liebe dankbar; — obwohl der Vater
mit Nichts; da man bei ihm ſo wenig wie bei den
ältern Lutheranern durch gute Werke ſeelig wurde,
ſondern nur durch den Mangel derſelben ver¬
dammt — aber eben jetzt, wo die Eltern aus
der Nacht die neueſten Hoffnungen der Entſa¬
gung geſchöpfet hatten, konnte die Tochter kei¬
ner einzigen ſchmeicheln.
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Zitationshilfe: | Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/204>, abgerufen am 17.02.2025. |