Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

nender Gebüsche in den fließenden Wassern --
auf den bogigen Triumphthoren standen Lichter
wie herabgezogne Himmelswagen -- und hin¬
ter ihm die schwarze Klostermauer des Tarta¬
rus, der erhaben in seinen Gipfeln nur einzelne
Lichtchen zeigte -- und drüben die stillen, schla¬
fenden Berge in der Nacht und hier das laute
Leben der Menschen, mit den Nachtschmetter¬
lingen um die Lampen spielend! --

So erschaft sich in uns das Feuer selber
den Sturmwind, der es noch höher jagt. Ne¬
ben ihm liefen die Töne und sagten ihm jeden
Gedanken, den er tödten wollte. Wie der
Mensch sich selber sieht, so hört er sich selber
oft vor dem Tone.

Jetzt gieng Liane in einiger Ferne von
der Menge mit Augusti. "Ich will mit ihr re¬
den, so ists aus." sagt' er zu sich. Als er ne¬
ben ihr kämpfend und ringend gieng: merkt'
er wohl, daß sie wieder unter fremde Zuhörer
zurückwollte. "Liane, was hab' ich Dir denn
gethan?" sagte er mit dem Seelentone eines
zärtlichen Herzens, bitter des Lektors Gegen¬
wart und Kräfte verachtend. "Verlangen Sie

M 2

nender Gebüſche in den fließenden Waſſern —
auf den bogigen Triumphthoren ſtanden Lichter
wie herabgezogne Himmelswagen — und hin¬
ter ihm die ſchwarze Kloſtermauer des Tarta¬
rus, der erhaben in ſeinen Gipfeln nur einzelne
Lichtchen zeigte — und drüben die ſtillen, ſchla¬
fenden Berge in der Nacht und hier das laute
Leben der Menſchen, mit den Nachtſchmetter¬
lingen um die Lampen ſpielend! —

So erſchaft ſich in uns das Feuer ſelber
den Sturmwind, der es noch höher jagt. Ne¬
ben ihm liefen die Töne und ſagten ihm jeden
Gedanken, den er tödten wollte. Wie der
Menſch ſich ſelber ſieht, ſo hört er ſich ſelber
oft vor dem Tone.

Jetzt gieng Liane in einiger Ferne von
der Menge mit Auguſti. „Ich will mit ihr re¬
den, ſo iſts aus.“ ſagt' er zu ſich. Als er ne¬
ben ihr kämpfend und ringend gieng: merkt'
er wohl, daß ſie wieder unter fremde Zuhörer
zurückwollte. „Liane, was hab' ich Dir denn
gethan?“ ſagte er mit dem Seelentone eines
zärtlichen Herzens, bitter des Lektors Gegen¬
wart und Kräfte verachtend. „Verlangen Sie

M 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0191" n="179"/>
nender Gebü&#x017F;che in den fließenden Wa&#x017F;&#x017F;ern &#x2014;<lb/>
auf den bogigen Triumphthoren &#x017F;tanden Lichter<lb/>
wie herabgezogne Himmelswagen &#x2014; und hin¬<lb/>
ter ihm die &#x017F;chwarze Klo&#x017F;termauer des Tarta¬<lb/>
rus, der erhaben in &#x017F;einen Gipfeln nur einzelne<lb/>
Lichtchen zeigte &#x2014; und drüben die &#x017F;tillen, &#x017F;chla¬<lb/>
fenden Berge in der Nacht und hier das laute<lb/>
Leben der Men&#x017F;chen, mit den Nacht&#x017F;chmetter¬<lb/>
lingen um die Lampen &#x017F;pielend! &#x2014;</p><lb/>
          <p>So er&#x017F;chaft &#x017F;ich in uns das Feuer &#x017F;elber<lb/>
den Sturmwind, der es noch höher jagt. Ne¬<lb/>
ben ihm liefen die Töne und &#x017F;agten ihm jeden<lb/>
Gedanken, den er tödten wollte. Wie der<lb/>
Men&#x017F;ch &#x017F;ich &#x017F;elber &#x017F;ieht, &#x017F;o hört er &#x017F;ich &#x017F;elber<lb/>
oft vor dem Tone.</p><lb/>
          <p>Jetzt gieng Liane in einiger Ferne von<lb/>
der Menge mit Augu&#x017F;ti. &#x201E;Ich will mit ihr re¬<lb/>
den, &#x017F;o i&#x017F;ts aus.&#x201C; &#x017F;agt' er zu &#x017F;ich. Als er ne¬<lb/>
ben ihr kämpfend und ringend gieng: merkt'<lb/>
er wohl, daß &#x017F;ie wieder unter fremde Zuhörer<lb/>
zurückwollte. &#x201E;Liane, was hab' ich Dir denn<lb/>
gethan?&#x201C; &#x017F;agte er mit dem Seelentone eines<lb/>
zärtlichen Herzens, bitter des Lektors Gegen¬<lb/>
wart und Kräfte verachtend. &#x201E;Verlangen Sie<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">M 2<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[179/0191] nender Gebüſche in den fließenden Waſſern — auf den bogigen Triumphthoren ſtanden Lichter wie herabgezogne Himmelswagen — und hin¬ ter ihm die ſchwarze Kloſtermauer des Tarta¬ rus, der erhaben in ſeinen Gipfeln nur einzelne Lichtchen zeigte — und drüben die ſtillen, ſchla¬ fenden Berge in der Nacht und hier das laute Leben der Menſchen, mit den Nachtſchmetter¬ lingen um die Lampen ſpielend! — So erſchaft ſich in uns das Feuer ſelber den Sturmwind, der es noch höher jagt. Ne¬ ben ihm liefen die Töne und ſagten ihm jeden Gedanken, den er tödten wollte. Wie der Menſch ſich ſelber ſieht, ſo hört er ſich ſelber oft vor dem Tone. Jetzt gieng Liane in einiger Ferne von der Menge mit Auguſti. „Ich will mit ihr re¬ den, ſo iſts aus.“ ſagt' er zu ſich. Als er ne¬ ben ihr kämpfend und ringend gieng: merkt' er wohl, daß ſie wieder unter fremde Zuhörer zurückwollte. „Liane, was hab' ich Dir denn gethan?“ ſagte er mit dem Seelentone eines zärtlichen Herzens, bitter des Lektors Gegen¬ wart und Kräfte verachtend. „Verlangen Sie M 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/191
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/191>, abgerufen am 24.11.2024.