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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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-- ihm von diesen drei Dingen hatten so viel
nehmen lassen, daß sie ihm eben ihre kaltblüti¬
ge Verwandtin als die Kronwache ihrer nahen
Thronfolge zugeben konnten. Er hörte dieselben
Hochzeitgesänge von allen Hof-Pestizern, die
wie ein Muskel, ein besonderes Bestreben äu¬
ßerten, sich kurz zu machen. Er sah, wie der
Fürst -- obwohl mit dem Gefühle, bald in sei¬
ner Fett- oder Wassersucht zu ersaufen -- alle
Lügen leicht und kalt und schadenfroh dahin¬
nahm -- -- O, müssen nicht die Fürsten, dacht'
er, selber lügen, weil sie ewig belogen, selber
schmeicheln lernen, weil sie immer geschmeichelt
werden? -- Er selber konnte sichs nicht abge¬
winnen, nur den kleinsten Scherf eines lügen¬
den Glückwunsches in den allgemeinen Lügen-
Fiskus zu werfen.

Die Fürstin warf dem Grafen -- so oft
es gieng und fast öfter -- zwei Blicke oder Wor¬
te zu; denn dieser Blühende erinnerte unter den
Thron-Küstenbewohnern, von denen man leich¬
ter ein Echo als eine Antwort hört, allein an
seinen kräftigen Vater. Der Hauptmann brach¬
te einige mal -- weil er gleich allen Schwär¬

— ihm von dieſen drei Dingen hatten ſo viel
nehmen laſſen, daß ſie ihm eben ihre kaltblüti¬
ge Verwandtin als die Kronwache ihrer nahen
Thronfolge zugeben konnten. Er hörte dieſelben
Hochzeitgeſänge von allen Hof-Peſtizern, die
wie ein Muſkel, ein beſonderes Beſtreben äu¬
ßerten, ſich kurz zu machen. Er ſah, wie der
Fürſt — obwohl mit dem Gefühle, bald in ſei¬
ner Fett- oder Waſſerſucht zu erſaufen — alle
Lügen leicht und kalt und ſchadenfroh dahin¬
nahm — — O, müſſen nicht die Fürſten, dacht'
er, ſelber lügen, weil ſie ewig belogen, ſelber
ſchmeicheln lernen, weil ſie immer geſchmeichelt
werden? — Er ſelber konnte ſichs nicht abge¬
winnen, nur den kleinſten Scherf eines lügen¬
den Glückwunſches in den allgemeinen Lügen-
Fiskus zu werfen.

Die Fürſtin warf dem Grafen — ſo oft
es gieng und faſt öfter — zwei Blicke oder Wor¬
te zu; denn dieſer Blühende erinnerte unter den
Thron-Küſtenbewohnern, von denen man leich¬
ter ein Echo als eine Antwort hört, allein an
ſeinen kräftigen Vater. Der Hauptmann brach¬
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[164/0176] — ihm von dieſen drei Dingen hatten ſo viel nehmen laſſen, daß ſie ihm eben ihre kaltblüti¬ ge Verwandtin als die Kronwache ihrer nahen Thronfolge zugeben konnten. Er hörte dieſelben Hochzeitgeſänge von allen Hof-Peſtizern, die wie ein Muſkel, ein beſonderes Beſtreben äu¬ ßerten, ſich kurz zu machen. Er ſah, wie der Fürſt — obwohl mit dem Gefühle, bald in ſei¬ ner Fett- oder Waſſerſucht zu erſaufen — alle Lügen leicht und kalt und ſchadenfroh dahin¬ nahm — — O, müſſen nicht die Fürſten, dacht' er, ſelber lügen, weil ſie ewig belogen, ſelber ſchmeicheln lernen, weil ſie immer geſchmeichelt werden? — Er ſelber konnte ſichs nicht abge¬ winnen, nur den kleinſten Scherf eines lügen¬ den Glückwunſches in den allgemeinen Lügen- Fiskus zu werfen. Die Fürſtin warf dem Grafen — ſo oft es gieng und faſt öfter — zwei Blicke oder Wor¬ te zu; denn dieſer Blühende erinnerte unter den Thron-Küſtenbewohnern, von denen man leich¬ ter ein Echo als eine Antwort hört, allein an ſeinen kräftigen Vater. Der Hauptmann brach¬ te einige mal — weil er gleich allen Schwär¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/176>, abgerufen am 23.11.2024.