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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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Grafen!" Eine kühnere Lebhaftigkeit als die
Eltern sonst an ihr vermisset und gefunden
hatten, strahlte unter dem aufgehobenen Auge.
"Ach, ich will ihm ja nur so lange treu verblei¬
ben als ich lebe" sagte sie. "C'est bien peu,"
versetzte der Minister, über die Keckheit erstau¬
nend.

Liane hörte jetzt erst ihr entflognes Wort
nach; da ergriff sie, um die Vergangenheit und
ihre Mutter zu rechtfertigen, den schönen und
lächerlichen Entschluß, den alten Herrn zu rüh¬
ren und zu bekehren durch ihre Geister- oder
Traumseherei. Sie bat ihn um eine einsame
Unterredung und nachher -- als sie schwer ver¬
gönnet war -- darin um sein heiliges Ver¬
sprechen, gegen die Mutter zu schweigen, weil
sie fürchtete, dieser Liebenden, die dem Ausschla¬
gen nahe rasselnden Uhrräder ihrer Sterbe¬
glocke zu zeigen. Der alte Herr konnte nur
mit einer komischen Mine -- wobei er aussah
wie einer, der in grimmiger Kälte lachen will
-- hinlängliches Worthalten geloben, weil nie,
so viel er sich entsinnen konnte, das Wort von
ihm, sondern bloß oft er vom Wort gehalten

Grafen!“ Eine kühnere Lebhaftigkeit als die
Eltern ſonſt an ihr vermiſſet und gefunden
hatten, ſtrahlte unter dem aufgehobenen Auge.
„Ach, ich will ihm ja nur ſo lange treu verblei¬
ben als ich lebe“ ſagte ſie. „C'est bien peu,“
verſetzte der Miniſter, über die Keckheit erſtau¬
nend.

Liane hörte jetzt erſt ihr entflognes Wort
nach; da ergriff ſie, um die Vergangenheit und
ihre Mutter zu rechtfertigen, den ſchönen und
lächerlichen Entſchluß, den alten Herrn zu rüh¬
ren und zu bekehren durch ihre Geiſter- oder
Traumſeherei. Sie bat ihn um eine einſame
Unterredung und nachher — als ſie ſchwer ver¬
gönnet war — darin um ſein heiliges Ver¬
ſprechen, gegen die Mutter zu ſchweigen, weil
ſie fürchtete, dieſer Liebenden, die dem Ausſchla¬
gen nahe raſſelnden Uhrräder ihrer Sterbe¬
glocke zu zeigen. Der alte Herr konnte nur
mit einer komiſchen Mine — wobei er ausſah
wie einer, der in grimmiger Kälte lachen will
— hinlängliches Worthalten geloben, weil nie,
ſo viel er ſich entſinnen konnte, das Wort von
ihm, ſondern bloß oft er vom Wort gehalten

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[125/0137] Grafen!“ Eine kühnere Lebhaftigkeit als die Eltern ſonſt an ihr vermiſſet und gefunden hatten, ſtrahlte unter dem aufgehobenen Auge. „Ach, ich will ihm ja nur ſo lange treu verblei¬ ben als ich lebe“ ſagte ſie. „C'est bien peu,“ verſetzte der Miniſter, über die Keckheit erſtau¬ nend. Liane hörte jetzt erſt ihr entflognes Wort nach; da ergriff ſie, um die Vergangenheit und ihre Mutter zu rechtfertigen, den ſchönen und lächerlichen Entſchluß, den alten Herrn zu rüh¬ ren und zu bekehren durch ihre Geiſter- oder Traumſeherei. Sie bat ihn um eine einſame Unterredung und nachher — als ſie ſchwer ver¬ gönnet war — darin um ſein heiliges Ver¬ ſprechen, gegen die Mutter zu ſchweigen, weil ſie fürchtete, dieſer Liebenden, die dem Ausſchla¬ gen nahe raſſelnden Uhrräder ihrer Sterbe¬ glocke zu zeigen. Der alte Herr konnte nur mit einer komiſchen Mine — wobei er ausſah wie einer, der in grimmiger Kälte lachen will — hinlängliches Worthalten geloben, weil nie, ſo viel er ſich entſinnen konnte, das Wort von ihm, ſondern bloß oft er vom Wort gehalten

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/137>, abgerufen am 25.11.2024.