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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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Faust, die er, wie der Pabst den Fuß, allezeit
als den Lehn- und Lippenträger, Agenten und de
latere
Nunzius des Mundes den Küssen schickte.

"Sie bleibt ungehorsam" sagte die strenge
Frau. "So gleicht sie Ihnen ein wenig" sagt'
er, weil der Mißtrauische die Umarmung für
eine Verschwörung gegen ihn und seinen Bou¬
verot ansah. Nun barst sein Eis-Hekla und
flammte und floß -- bald auf Tochter bald
auf Frau -- erstere sey gar erbärmlich, sagt'
er, und nur der Hauptmann etwas werth, den
er glücklicher Weise allein gebildet -- errath'
Alles, hör' Alles, wenn man auch sein Ohr¬
blech verborgen -- es werde demnach, wie er
sehe (er zeigte auf seinen entsiegelten Morgen¬
psalm) zwischen beiden Kollegien kommunizirt
-- aber Gott soll' ihn strafen, wenn er nicht --
"Töchterchen, antwort' doch endlich!" bat er.

"Mein Vater -- (sagte Liane, seit der Bou¬
verotischen Verbrüderung und der Mißhand¬
lung der Mutter ihr Herz mehr fühlend, das
aber nur verachten und nie hassen konnte --)
meine Mutter hat mir heute und gestern Alles
gesagt; aber ich habe doch Pflichten gegen den

Fauſt, die er, wie der Pabſt den Fuß, allezeit
als den Lehn- und Lippenträger, Agenten und de
latere
Nunzius des Mundes den Küſſen ſchickte.

„Sie bleibt ungehorſam“ ſagte die ſtrenge
Frau. „So gleicht ſie Ihnen ein wenig“ ſagt'
er, weil der Mißtrauiſche die Umarmung für
eine Verſchwörung gegen ihn und ſeinen Bou¬
verot anſah. Nun barſt ſein Eis-Hekla und
flammte und floß — bald auf Tochter bald
auf Frau — erſtere ſey gar erbärmlich, ſagt'
er, und nur der Hauptmann etwas werth, den
er glücklicher Weiſe allein gebildet — errath'
Alles, hör' Alles, wenn man auch ſein Ohr¬
blech verborgen — es werde demnach, wie er
ſehe (er zeigte auf ſeinen entſiegelten Morgen¬
pſalm) zwiſchen beiden Kollegien kommunizirt
— aber Gott ſoll' ihn ſtrafen, wenn er nicht —
„Töchterchen, antwort' doch endlich!“ bat er.

„Mein Vater — (ſagte Liane, ſeit der Bou¬
verotiſchen Verbrüderung und der Mißhand¬
lung der Mutter ihr Herz mehr fühlend, das
aber nur verachten und nie haſſen konnte —)
meine Mutter hat mir heute und geſtern Alles
geſagt; aber ich habe doch Pflichten gegen den

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[124/0136] Fauſt, die er, wie der Pabſt den Fuß, allezeit als den Lehn- und Lippenträger, Agenten und de latere Nunzius des Mundes den Küſſen ſchickte. „Sie bleibt ungehorſam“ ſagte die ſtrenge Frau. „So gleicht ſie Ihnen ein wenig“ ſagt' er, weil der Mißtrauiſche die Umarmung für eine Verſchwörung gegen ihn und ſeinen Bou¬ verot anſah. Nun barſt ſein Eis-Hekla und flammte und floß — bald auf Tochter bald auf Frau — erſtere ſey gar erbärmlich, ſagt' er, und nur der Hauptmann etwas werth, den er glücklicher Weiſe allein gebildet — errath' Alles, hör' Alles, wenn man auch ſein Ohr¬ blech verborgen — es werde demnach, wie er ſehe (er zeigte auf ſeinen entſiegelten Morgen¬ pſalm) zwiſchen beiden Kollegien kommunizirt — aber Gott ſoll' ihn ſtrafen, wenn er nicht — „Töchterchen, antwort' doch endlich!“ bat er. „Mein Vater — (ſagte Liane, ſeit der Bou¬ verotiſchen Verbrüderung und der Mißhand¬ lung der Mutter ihr Herz mehr fühlend, das aber nur verachten und nie haſſen konnte —) meine Mutter hat mir heute und geſtern Alles geſagt; aber ich habe doch Pflichten gegen den

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/136>, abgerufen am 25.11.2024.