in Europa ansehen, ihm das Recht abspre¬ chen, sich alle Briefe so offen zu erhalten wie Fracht-, Adels-, Kauf- und Apostelbriefe es sind. Der einzige Fehler ist bloß, daß er die Briefe nicht eher vorbekommt als zugepicht und zugesperrt; das ist unmoralisch genug; denn es nöthigt die Regierung, auf- und zuzuma¬ chen, -- den Brief aus der Scheide zu ziehen und in sie zu stecken, wie der Koch mühsam die Schnecke aus ihrer Schaale drehet und dann, sobald sie vom Feuer weg ist, in diese wieder zurückgeschoben aufsetzt.
Letzteres ist der Punkt und Hauptwind, der uns weiter zu führen hat. Denn so allge¬ mein es auch anerkannt, so wie Observanz sey, daß die Regierung aus demselben Grunde, wor¬ aus sie den letzten Willen öffnet, auch jeden vor¬ vorletzten, und endlich den ersten müsse früher entsiegeln können als der Erbe desselben -- und daß ein Fürst noch viel leichter Diener-Briefe in dieselbe Entzifferungskanzlei (und in ihr Vorzimmer, die Entsieglungskammer) müsse ziehen können, worin Fürsten- und Legaten- Briefe aufgehen vor der Springwurzel --: so
in Europa anſehen, ihm das Recht abſpre¬ chen, ſich alle Briefe ſo offen zu erhalten wie Fracht-, Adels-, Kauf- und Apoſtelbriefe es ſind. Der einzige Fehler iſt bloß, daß er die Briefe nicht eher vorbekommt als zugepicht und zugeſperrt; das iſt unmoraliſch genug; denn es nöthigt die Regierung, auf- und zuzuma¬ chen, — den Brief aus der Scheide zu ziehen und in ſie zu ſtecken, wie der Koch mühſam die Schnecke aus ihrer Schaale drehet und dann, ſobald ſie vom Feuer weg iſt, in dieſe wieder zurückgeſchoben aufſetzt.
Letzteres iſt der Punkt und Hauptwind, der uns weiter zu führen hat. Denn ſo allge¬ mein es auch anerkannt, ſo wie Obſervanz ſey, daß die Regierung aus demſelben Grunde, wor¬ aus ſie den letzten Willen öffnet, auch jeden vor¬ vorletzten, und endlich den erſten müſſe früher entſiegeln können als der Erbe deſſelben — und daß ein Fürſt noch viel leichter Diener-Briefe in dieſelbe Entzifferungskanzlei (und in ihr Vorzimmer, die Entſieglungskammer) müſſe ziehen können, worin Fürſten- und Legaten- Briefe aufgehen vor der Springwurzel —: ſo
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in Europa anſehen, ihm das Recht abſpre¬
chen, ſich alle Briefe ſo offen zu erhalten wie
Fracht-, Adels-, Kauf- und Apoſtelbriefe es
ſind. Der einzige Fehler iſt bloß, daß er die
Briefe nicht eher vorbekommt als zugepicht und
zugeſperrt; das iſt unmoraliſch genug; denn
es nöthigt die Regierung, auf- und zuzuma¬
chen, — den Brief aus der Scheide zu ziehen
und in ſie zu ſtecken, wie der Koch mühſam
die Schnecke aus ihrer Schaale drehet und
dann, ſobald ſie vom Feuer weg iſt, in dieſe
wieder zurückgeſchoben aufſetzt.
Letzteres iſt der Punkt und Hauptwind,
der uns weiter zu führen hat. Denn ſo allge¬
mein es auch anerkannt, ſo wie Obſervanz ſey,
daß die Regierung aus demſelben Grunde, wor¬
aus ſie den letzten Willen öffnet, auch jeden vor¬
vorletzten, und endlich den erſten müſſe früher
entſiegeln können als der Erbe deſſelben — und
daß ein Fürſt noch viel leichter Diener-Briefe
in dieſelbe Entzifferungskanzlei (und in ihr
Vorzimmer, die Entſieglungskammer) müſſe
ziehen können, worin Fürſten- und Legaten-
Briefe aufgehen vor der Springwurzel —: ſo
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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/117>, abgerufen am 27.11.2024.
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