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Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.

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Dürft ihr aus Liebe Kinder zu ihrem Glück,
so dürfen sie später eben so gut aus Dankbar¬
keit euch zu eurem zwingen. Aber was ist denn
das Glück, wofür sie ihr ganzes Herz mit allen
seinen Träumen wegwerfen sollen? -- Mei¬
stens eures; eure Beleuchtung und Bereiche¬
rung, eure Feind- und Freundschaften sollen
sie mit dem Opfer des Innersten büßen und
kaufen. Dürft ihr eure stillen Voraussetzungen
zum Glück einer Zwangsehe laut bekennen, z. B.
die Entbehrlichkeit der Liebe in der Ehe, die
Hofnung eines Todesfalles, die vielleicht dop¬
pelte Untreue sowohl gegen den ehelichen Käu¬
fer als gegen den außer-ehelichen Geliebten?
Ihr müsset Sünderinnen *) voraussetzen, um
nicht Räuber zu seyn.

Thut mir nicht dar, daß Neigungsehen oft
schlecht und Zwangsehen oft gut genug ausge¬
fallen, wie an Hernhutern, Germanen und
Orientalern zu ersehen. Nennt mir sonst lieber

*) Ich spreche mehr von Töchtern, weil diese die
gewöhnlichsten und größten Opfer sind; die
Söhne sind unblutige Meßopfer.

Dürft ihr aus Liebe Kinder zu ihrem Glück,
ſo dürfen ſie ſpäter eben ſo gut aus Dankbar¬
keit euch zu eurem zwingen. Aber was iſt denn
das Glück, wofür ſie ihr ganzes Herz mit allen
ſeinen Träumen wegwerfen ſollen? — Mei¬
ſtens eures; eure Beleuchtung und Bereiche¬
rung, eure Feind- und Freundſchaften ſollen
ſie mit dem Opfer des Innerſten büßen und
kaufen. Dürft ihr eure ſtillen Vorausſetzungen
zum Glück einer Zwangsehe laut bekennen, z. B.
die Entbehrlichkeit der Liebe in der Ehe, die
Hofnung eines Todesfalles, die vielleicht dop¬
pelte Untreue ſowohl gegen den ehelichen Käu¬
fer als gegen den außer-ehelichen Geliebten?
Ihr müſſet Sünderinnen *) vorausſetzen, um
nicht Räuber zu ſeyn.

Thut mir nicht dar, daß Neigungsehen oft
ſchlecht und Zwangsehen oft gut genug ausge¬
fallen, wie an Hernhutern, Germanen und
Orientalern zu erſehen. Nennt mir ſonſt lieber

*) Ich ſpreche mehr von Töchtern, weil dieſe die
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[89/0097] Dürft ihr aus Liebe Kinder zu ihrem Glück, ſo dürfen ſie ſpäter eben ſo gut aus Dankbar¬ keit euch zu eurem zwingen. Aber was iſt denn das Glück, wofür ſie ihr ganzes Herz mit allen ſeinen Träumen wegwerfen ſollen? — Mei¬ ſtens eures; eure Beleuchtung und Bereiche¬ rung, eure Feind- und Freundſchaften ſollen ſie mit dem Opfer des Innerſten büßen und kaufen. Dürft ihr eure ſtillen Vorausſetzungen zum Glück einer Zwangsehe laut bekennen, z. B. die Entbehrlichkeit der Liebe in der Ehe, die Hofnung eines Todesfalles, die vielleicht dop¬ pelte Untreue ſowohl gegen den ehelichen Käu¬ fer als gegen den außer-ehelichen Geliebten? Ihr müſſet Sünderinnen *) vorausſetzen, um nicht Räuber zu ſeyn. Thut mir nicht dar, daß Neigungsehen oft ſchlecht und Zwangsehen oft gut genug ausge¬ fallen, wie an Hernhutern, Germanen und Orientalern zu erſehen. Nennt mir ſonſt lieber *) Ich ſpreche mehr von Töchtern, weil dieſe die gewöhnlichſten und größten Opfer ſind; die Söhne ſind unblutige Meßopfer.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/97>, abgerufen am 24.11.2024.