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Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.

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machen so wenig einen Unterschied in der ge¬
genseitigen Freiheit als Talent oder sein Man¬
gel. Warum befehlt ihr denn Töchtern nicht
eben so gut Freundschaft auf Lebenslang?
Warum übt ihr bei der zweiten Ehe nicht das¬
selbe Recht? Aber ihr habt eben keines zu ver¬
werfen, ausgenommen in der minorennen Zeit,
wo das Kind noch keines hat, zu wählen.
Oder fodert ihr für die Erziehung zur Freiheit
beim Abschiede als Ehrensold das Opfer der
Freiheit? -- Ihr thut als hättet ihr erzogen,
ohne selber erzogen zu seyn, indeß ihr blos
eine schwere geerbte Schuld, die ihr an eure
Eltern nie bezahlen könnt, an eure Kinder
abtragt; und ich kenne hierin nur Einen unbe¬
zahlten Gläubiger, den ersten Menschen, und
nur Einen insolventen Schuldner, den letzten.
Oder schützet ihr euch noch mit dem barbari¬
schen unmoralischen römischen Vorurtheil, das
Kinder als weiße Neger der Eltern feilbietet,
weil die frühere erlaubte Gewalt über das
nicht-moralische Wesen sich hinter der Allmäh¬
ligkeit seiner Entwicklung unbemerkt als eine
über das moralische herüberschleicht?

machen ſo wenig einen Unterſchied in der ge¬
genſeitigen Freiheit als Talent oder ſein Man¬
gel. Warum befehlt ihr denn Töchtern nicht
eben ſo gut Freundſchaft auf Lebenslang?
Warum übt ihr bei der zweiten Ehe nicht daſ¬
ſelbe Recht? Aber ihr habt eben keines zu ver¬
werfen, ausgenommen in der minorennen Zeit,
wo das Kind noch keines hat, zu wählen.
Oder fodert ihr für die Erziehung zur Freiheit
beim Abſchiede als Ehrenſold das Opfer der
Freiheit? — Ihr thut als hättet ihr erzogen,
ohne ſelber erzogen zu ſeyn, indeß ihr blos
eine ſchwere geerbte Schuld, die ihr an eure
Eltern nie bezahlen könnt, an eure Kinder
abtragt; und ich kenne hierin nur Einen unbe¬
zahlten Gläubiger, den erſten Menſchen, und
nur Einen inſolventen Schuldner, den letzten.
Oder ſchützet ihr euch noch mit dem barbari¬
ſchen unmoraliſchen römiſchen Vorurtheil, das
Kinder als weiße Neger der Eltern feilbietet,
weil die frühere erlaubte Gewalt über das
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ligkeit ſeiner Entwicklung unbemerkt als eine
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[88/0096] machen ſo wenig einen Unterſchied in der ge¬ genſeitigen Freiheit als Talent oder ſein Man¬ gel. Warum befehlt ihr denn Töchtern nicht eben ſo gut Freundſchaft auf Lebenslang? Warum übt ihr bei der zweiten Ehe nicht daſ¬ ſelbe Recht? Aber ihr habt eben keines zu ver¬ werfen, ausgenommen in der minorennen Zeit, wo das Kind noch keines hat, zu wählen. Oder fodert ihr für die Erziehung zur Freiheit beim Abſchiede als Ehrenſold das Opfer der Freiheit? — Ihr thut als hättet ihr erzogen, ohne ſelber erzogen zu ſeyn, indeß ihr blos eine ſchwere geerbte Schuld, die ihr an eure Eltern nie bezahlen könnt, an eure Kinder abtragt; und ich kenne hierin nur Einen unbe¬ zahlten Gläubiger, den erſten Menſchen, und nur Einen inſolventen Schuldner, den letzten. Oder ſchützet ihr euch noch mit dem barbari¬ ſchen unmoraliſchen römiſchen Vorurtheil, das Kinder als weiße Neger der Eltern feilbietet, weil die frühere erlaubte Gewalt über das nicht-moraliſche Weſen ſich hinter der Allmäh¬ ligkeit ſeiner Entwicklung unbemerkt als eine über das moraliſche herüberſchleicht?

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/96>, abgerufen am 25.11.2024.