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Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.

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den stürmischen Mühlengängen täglicher Assem¬
bleen eine leise Stimme und ein zartes Ohr be¬
halten und der Tumult hatte sie eingezogen
und fast scheu gelassen.

Die schöne Seele errieth selten etwas --
eine schöne Seele ausgenommen --; so leicht
ihr Ebenbild, so schwer ihr Gegenbild. Bouve¬
rots Annäherungen schienen ihr die gewöhnli¬
chen Vor- und Seitenpas der männlichen Höf¬
lichkeit; und sein Ritter-Zölibat erlaubte ihr
nicht, ihn ganz zu verstehen: -- prangen nicht
die Lilien der Unschuld früher als die Rosen
der Scham, wie die Purpurfarbe anfangs nur
bleich färbt und erst später roth anglüht, wenn
sie vor der Sonne liegt? -- Sie hielt sich die¬
sen Abend der Mutter nahe, weil sie an ihr
einen ungewöhnlichen Ernst wahrnahm. --

Als Froulay das Geburtstag-Kränzchen,
worin mehr Stacheln und Stiele als Blumen
steckten, oder das Dornenkrönchen von seinem
Kopfe heruntergethan hatte und in der Nacht¬
mütze unter seiner Familie stand: macht' er sich
an das Geschäft, worauf er den ganzen Abend
gesonnen hatte. "Täubchen (sagt' er zur Toch¬

den ſtürmiſchen Mühlengängen täglicher Aſſem¬
bleen eine leiſe Stimme und ein zartes Ohr be¬
halten und der Tumult hatte ſie eingezogen
und faſt ſcheu gelaſſen.

Die ſchöne Seele errieth ſelten etwas —
eine ſchöne Seele ausgenommen —; ſo leicht
ihr Ebenbild, ſo ſchwer ihr Gegenbild. Bouve¬
rots Annäherungen ſchienen ihr die gewöhnli¬
chen Vor- und Seitenpas der männlichen Höf¬
lichkeit; und ſein Ritter-Zölibat erlaubte ihr
nicht, ihn ganz zu verſtehen: — prangen nicht
die Lilien der Unſchuld früher als die Roſen
der Scham, wie die Purpurfarbe anfangs nur
bleich färbt und erſt ſpäter roth anglüht, wenn
ſie vor der Sonne liegt? — Sie hielt ſich die¬
ſen Abend der Mutter nahe, weil ſie an ihr
einen ungewöhnlichen Ernſt wahrnahm. —

Als Froulay das Geburtstag-Kränzchen,
worin mehr Stacheln und Stiele als Blumen
ſteckten, oder das Dornenkrönchen von ſeinem
Kopfe heruntergethan hatte und in der Nacht¬
mütze unter ſeiner Familie ſtand: macht' er ſich
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geſonnen hatte. „Täubchen (ſagt' er zur Toch¬

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[73/0081] den ſtürmiſchen Mühlengängen täglicher Aſſem¬ bleen eine leiſe Stimme und ein zartes Ohr be¬ halten und der Tumult hatte ſie eingezogen und faſt ſcheu gelaſſen. Die ſchöne Seele errieth ſelten etwas — eine ſchöne Seele ausgenommen —; ſo leicht ihr Ebenbild, ſo ſchwer ihr Gegenbild. Bouve¬ rots Annäherungen ſchienen ihr die gewöhnli¬ chen Vor- und Seitenpas der männlichen Höf¬ lichkeit; und ſein Ritter-Zölibat erlaubte ihr nicht, ihn ganz zu verſtehen: — prangen nicht die Lilien der Unſchuld früher als die Roſen der Scham, wie die Purpurfarbe anfangs nur bleich färbt und erſt ſpäter roth anglüht, wenn ſie vor der Sonne liegt? — Sie hielt ſich die¬ ſen Abend der Mutter nahe, weil ſie an ihr einen ungewöhnlichen Ernſt wahrnahm. — Als Froulay das Geburtstag-Kränzchen, worin mehr Stacheln und Stiele als Blumen ſteckten, oder das Dornenkrönchen von ſeinem Kopfe heruntergethan hatte und in der Nacht¬ mütze unter ſeiner Familie ſtand: macht' er ſich an das Geſchäft, worauf er den ganzen Abend geſonnen hatte. „Täubchen (ſagt' er zur Toch¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/81>, abgerufen am 25.11.2024.