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Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.

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noch sinnend, ob er weg solle; dann lief er
rasch die Treppe hinan.

In Albano floß der Freudenbecher, worein
der ganze Tag zugeschüttet hatte, mit dem glän¬
zenden Schaume einer schalkhaften Laune über.
Beim Himmel! Die Scherzhaftigkeit stand ihm
so lieblich wie eine Rührung und er gieng oft
lange, ohne Sprechen, schalkhaft-lächelnd um¬
her, wie schlummernde Kinder lächeln, wenn,
wie man sagt, mit ihnen Engel spielen.

Roquairol kam wieder mit sonderbar em¬
pörten Augen; er hatte wild in sein Herz hin¬
eingestürmt; er war schlecht gewesen, um zu
verzweifeln und unten auf dem Abgrund knieend
dem Freunde sein Leben zu bekennen. Dieser
so willkührliche Mensch lag unwillkührlich auf
den Windmühlen-Flügel seiner Phantasie ge¬
flochten und wurde bald von der Windstille ge¬
fesselt, bald vom Sturme umgeschleudert, den
er zu durchschneiden glaubte. Er wurde nach
dem Beispiele der Feuerfresser, jetzt ein Feuer¬
säufer, in der unruhigen Erwartung, daß
Schoppe weiche. Dieser wich endlich trotz Al¬
banos Bitte mit der Antwort: "kaufet die Zeit,

noch ſinnend, ob er weg ſolle; dann lief er
raſch die Treppe hinan.

In Albano floß der Freudenbecher, worein
der ganze Tag zugeſchüttet hatte, mit dem glän¬
zenden Schaume einer ſchalkhaften Laune über.
Beim Himmel! Die Scherzhaftigkeit ſtand ihm
ſo lieblich wie eine Rührung und er gieng oft
lange, ohne Sprechen, ſchalkhaft-lächelnd um¬
her, wie ſchlummernde Kinder lächeln, wenn,
wie man ſagt, mit ihnen Engel ſpielen.

Roquairol kam wieder mit ſonderbar em¬
pörten Augen; er hatte wild in ſein Herz hin¬
eingeſtürmt; er war ſchlecht geweſen, um zu
verzweifeln und unten auf dem Abgrund knieend
dem Freunde ſein Leben zu bekennen. Dieſer
ſo willkührliche Menſch lag unwillkührlich auf
den Windmühlen-Flügel ſeiner Phantaſie ge¬
flochten und wurde bald von der Windſtille ge¬
feſſelt, bald vom Sturme umgeſchleudert, den
er zu durchſchneiden glaubte. Er wurde nach
dem Beiſpiele der Feuerfreſſer, jetzt ein Feuer¬
ſäufer, in der unruhigen Erwartung, daß
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banos Bitte mit der Antwort: „kaufet die Zeit,

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[27/0035] noch ſinnend, ob er weg ſolle; dann lief er raſch die Treppe hinan. In Albano floß der Freudenbecher, worein der ganze Tag zugeſchüttet hatte, mit dem glän¬ zenden Schaume einer ſchalkhaften Laune über. Beim Himmel! Die Scherzhaftigkeit ſtand ihm ſo lieblich wie eine Rührung und er gieng oft lange, ohne Sprechen, ſchalkhaft-lächelnd um¬ her, wie ſchlummernde Kinder lächeln, wenn, wie man ſagt, mit ihnen Engel ſpielen. Roquairol kam wieder mit ſonderbar em¬ pörten Augen; er hatte wild in ſein Herz hin¬ eingeſtürmt; er war ſchlecht geweſen, um zu verzweifeln und unten auf dem Abgrund knieend dem Freunde ſein Leben zu bekennen. Dieſer ſo willkührliche Menſch lag unwillkührlich auf den Windmühlen-Flügel ſeiner Phantaſie ge¬ flochten und wurde bald von der Windſtille ge¬ feſſelt, bald vom Sturme umgeſchleudert, den er zu durchſchneiden glaubte. Er wurde nach dem Beiſpiele der Feuerfreſſer, jetzt ein Feuer¬ ſäufer, in der unruhigen Erwartung, daß Schoppe weiche. Dieſer wich endlich trotz Al¬ banos Bitte mit der Antwort: „kaufet die Zeit,

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/35>, abgerufen am 27.11.2024.