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Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.

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ausgehoben da, wo er sich ihn in diesen Rol¬
len vorgeträumt, und in den innern Heldenzug
wurde sogar die Wolke, die durch den Himmel
schwamm, und die über den Markt wegmar¬
schirende Wach-Truppe eingeschichtet. Zu groß
erschien ihm der Freund, weil er wie alle Jüng¬
linge noch von Schauspielern und Dichtern
glaubte, daß sie wie die Bergleute immer die
Metalle in den Leib bekommen, in denen sie
arbeiten. Wie oft sagten beide in der Jüng¬
lings-Metapher: "das Leben ist ein Traum"
und wurden blos froher und wacher dadurch!
Der Greis sagt es anders. Und die schwarze
Todespforte, an welche Karl so gern hinführte,
wurde vor dem Jünglingsauge eine Glasthür,
hinter welcher das helle goldne Zeitalter des
verspäteten Herzens in unermeßlichen Auen lag.

Mädgen, bekenn' ich -- da ihre Gespräche
zerstückter, faktischer, und weniger berauschend
sind -- erstehen statt eines solchen Eden-Parks
einen hübschen holländischen Garten gut zuge¬
schnitten von Krebs- und Damesscheeren, und
(nachmit-) täglich dargereicht von der schwar¬
zen Stunde, die ihnen auf dem Kaffee- oder

ausgehoben da, wo er ſich ihn in dieſen Rol¬
len vorgeträumt, und in den innern Heldenzug
wurde ſogar die Wolke, die durch den Himmel
ſchwamm, und die über den Markt wegmar¬
ſchirende Wach-Truppe eingeſchichtet. Zu groß
erſchien ihm der Freund, weil er wie alle Jüng¬
linge noch von Schauſpielern und Dichtern
glaubte, daß ſie wie die Bergleute immer die
Metalle in den Leib bekommen, in denen ſie
arbeiten. Wie oft ſagten beide in der Jüng¬
lings-Metapher: „das Leben iſt ein Traum“
und wurden blos froher und wacher dadurch!
Der Greis ſagt es anders. Und die ſchwarze
Todespforte, an welche Karl ſo gern hinführte,
wurde vor dem Jünglingsauge eine Glasthür,
hinter welcher das helle goldne Zeitalter des
verſpäteten Herzens in unermeßlichen Auen lag.

Mädgen, bekenn' ich — da ihre Geſpräche
zerſtückter, faktiſcher, und weniger berauſchend
ſind — erſtehen ſtatt eines ſolchen Eden-Parks
einen hübſchen holländiſchen Garten gut zuge¬
ſchnitten von Krebs- und Damesſcheeren, und
(nachmit-) täglich dargereicht von der ſchwar¬
zen Stunde, die ihnen auf dem Kaffee- oder

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[18/0026] ausgehoben da, wo er ſich ihn in dieſen Rol¬ len vorgeträumt, und in den innern Heldenzug wurde ſogar die Wolke, die durch den Himmel ſchwamm, und die über den Markt wegmar¬ ſchirende Wach-Truppe eingeſchichtet. Zu groß erſchien ihm der Freund, weil er wie alle Jüng¬ linge noch von Schauſpielern und Dichtern glaubte, daß ſie wie die Bergleute immer die Metalle in den Leib bekommen, in denen ſie arbeiten. Wie oft ſagten beide in der Jüng¬ lings-Metapher: „das Leben iſt ein Traum“ und wurden blos froher und wacher dadurch! Der Greis ſagt es anders. Und die ſchwarze Todespforte, an welche Karl ſo gern hinführte, wurde vor dem Jünglingsauge eine Glasthür, hinter welcher das helle goldne Zeitalter des verſpäteten Herzens in unermeßlichen Auen lag. Mädgen, bekenn' ich — da ihre Geſpräche zerſtückter, faktiſcher, und weniger berauſchend ſind — erſtehen ſtatt eines ſolchen Eden-Parks einen hübſchen holländiſchen Garten gut zuge¬ ſchnitten von Krebs- und Damesſcheeren, und (nachmit-) täglich dargereicht von der ſchwar¬ zen Stunde, die ihnen auf dem Kaffee- oder

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/26>, abgerufen am 23.11.2024.