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Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.

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"nicht, wenn ich will? Sondern blos in wichti¬
"gen Fällen; dann frag' ich ihn und gehorche
"sehr gern. Er ist mir heute, Albano, (setzte sie
"leiser und blöder hinzu) schon zweimal erschie¬
"nen, unterwegs als ich die innere Musik hörte,
"und vorhin im Donnerhäuschen als die Sonne
"untergieng, und hat mir liebreich geantwortet."

"Und was sagt' er, Himmlische?" fragte
Albano unschuldig. -- "Ich sah ihn unter¬
"wegs nur an und fragte nichts" versetzte die
Kindliche erröthend; und hier stand auf einmal
ihre heilige Seele unwissend ohne Flor vor ihm;
denn sie hatte im Donnerhäuschen von der un¬
sichtbaren Karoline das Ja zu ihrer Liebe em¬
pfangen, weil jene ihr Geschöpf war und die¬
ses ihre -- Eingebung. Ja wohl Himmlische!
du stehst vor dem Spiegel mit dem jungfräu¬
lichen Schleier über deiner Gestalt, und wenn
dein Bild seinen leise hebt, glaubst du dich
noch verhüllt! --

Kein Wort spricht Albano's Verehrung
eines so geheiligten Herzens aus, das ver¬
klärte Wesen so helle träumte -- dessen goldne
Blumen auf dem Gedanken des Todes, wie

Titan II. N

„nicht, wenn ich will? Sondern blos in wichti¬
„gen Fällen; dann frag' ich ihn und gehorche
„ſehr gern. Er iſt mir heute, Albano, (ſetzte ſie
„leiſer und blöder hinzu) ſchon zweimal erſchie¬
„nen, unterwegs als ich die innere Muſik hörte,
„und vorhin im Donnerhäuschen als die Sonne
„untergieng, und hat mir liebreich geantwortet.“

„Und was ſagt' er, Himmliſche?“ fragte
Albano unſchuldig. — „Ich ſah ihn unter¬
„wegs nur an und fragte nichts“ verſetzte die
Kindliche erröthend; und hier ſtand auf einmal
ihre heilige Seele unwiſſend ohne Flor vor ihm;
denn ſie hatte im Donnerhäuschen von der un¬
ſichtbaren Karoline das Ja zu ihrer Liebe em¬
pfangen, weil jene ihr Geſchöpf war und die¬
ſes ihre — Eingebung. Ja wohl Himmliſche!
du ſtehſt vor dem Spiegel mit dem jungfräu¬
lichen Schleier über deiner Geſtalt, und wenn
dein Bild ſeinen leiſe hebt, glaubſt du dich
noch verhüllt! —

Kein Wort ſpricht Albano's Verehrung
eines ſo geheiligten Herzens aus, das ver¬
klärte Weſen ſo helle träumte — deſſen goldne
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[193/0201] „nicht, wenn ich will? Sondern blos in wichti¬ „gen Fällen; dann frag' ich ihn und gehorche „ſehr gern. Er iſt mir heute, Albano, (ſetzte ſie „leiſer und blöder hinzu) ſchon zweimal erſchie¬ „nen, unterwegs als ich die innere Muſik hörte, „und vorhin im Donnerhäuschen als die Sonne „untergieng, und hat mir liebreich geantwortet.“ „Und was ſagt' er, Himmliſche?“ fragte Albano unſchuldig. — „Ich ſah ihn unter¬ „wegs nur an und fragte nichts“ verſetzte die Kindliche erröthend; und hier ſtand auf einmal ihre heilige Seele unwiſſend ohne Flor vor ihm; denn ſie hatte im Donnerhäuschen von der un¬ ſichtbaren Karoline das Ja zu ihrer Liebe em¬ pfangen, weil jene ihr Geſchöpf war und die¬ ſes ihre — Eingebung. Ja wohl Himmliſche! du ſtehſt vor dem Spiegel mit dem jungfräu¬ lichen Schleier über deiner Geſtalt, und wenn dein Bild ſeinen leiſe hebt, glaubſt du dich noch verhüllt! — Kein Wort ſpricht Albano's Verehrung eines ſo geheiligten Herzens aus, das ver¬ klärte Weſen ſo helle träumte — deſſen goldne Blumen auf dem Gedanken des Todes, wie Titan II. N

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/201>, abgerufen am 23.11.2024.