"nicht, wenn ich will? Sondern blos in wichti¬ "gen Fällen; dann frag' ich ihn und gehorche "sehr gern. Er ist mir heute, Albano, (setzte sie "leiser und blöder hinzu) schon zweimal erschie¬ "nen, unterwegs als ich die innere Musik hörte, "und vorhin im Donnerhäuschen als die Sonne "untergieng, und hat mir liebreich geantwortet."
"Und was sagt' er, Himmlische?" fragte Albano unschuldig. -- "Ich sah ihn unter¬ "wegs nur an und fragte nichts" versetzte die Kindliche erröthend; und hier stand auf einmal ihre heilige Seele unwissend ohne Flor vor ihm; denn sie hatte im Donnerhäuschen von der un¬ sichtbaren Karoline das Ja zu ihrer Liebe em¬ pfangen, weil jene ihr Geschöpf war und die¬ ses ihre -- Eingebung. Ja wohl Himmlische! du stehst vor dem Spiegel mit dem jungfräu¬ lichen Schleier über deiner Gestalt, und wenn dein Bild seinen leise hebt, glaubst du dich noch verhüllt! --
Kein Wort spricht Albano's Verehrung eines so geheiligten Herzens aus, das ver¬ klärte Wesen so helle träumte -- dessen goldne Blumen auf dem Gedanken des Todes, wie
Titan II. N
„nicht, wenn ich will? Sondern blos in wichti¬ „gen Fällen; dann frag' ich ihn und gehorche „ſehr gern. Er iſt mir heute, Albano, (ſetzte ſie „leiſer und blöder hinzu) ſchon zweimal erſchie¬ „nen, unterwegs als ich die innere Muſik hörte, „und vorhin im Donnerhäuschen als die Sonne „untergieng, und hat mir liebreich geantwortet.“
„Und was ſagt' er, Himmliſche?“ fragte Albano unſchuldig. — „Ich ſah ihn unter¬ „wegs nur an und fragte nichts“ verſetzte die Kindliche erröthend; und hier ſtand auf einmal ihre heilige Seele unwiſſend ohne Flor vor ihm; denn ſie hatte im Donnerhäuschen von der un¬ ſichtbaren Karoline das Ja zu ihrer Liebe em¬ pfangen, weil jene ihr Geſchöpf war und die¬ ſes ihre — Eingebung. Ja wohl Himmliſche! du ſtehſt vor dem Spiegel mit dem jungfräu¬ lichen Schleier über deiner Geſtalt, und wenn dein Bild ſeinen leiſe hebt, glaubſt du dich noch verhüllt! —
Kein Wort ſpricht Albano's Verehrung eines ſo geheiligten Herzens aus, das ver¬ klärte Weſen ſo helle träumte — deſſen goldne Blumen auf dem Gedanken des Todes, wie
Titan II. N
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„nicht, wenn ich will? Sondern blos in wichti¬
„gen Fällen; dann frag' ich ihn und gehorche
„ſehr gern. Er iſt mir heute, Albano, (ſetzte ſie
„leiſer und blöder hinzu) ſchon zweimal erſchie¬
„nen, unterwegs als ich die innere Muſik hörte,
„und vorhin im Donnerhäuschen als die Sonne
„untergieng, und hat mir liebreich geantwortet.“
„Und was ſagt' er, Himmliſche?“ fragte
Albano unſchuldig. — „Ich ſah ihn unter¬
„wegs nur an und fragte nichts“ verſetzte die
Kindliche erröthend; und hier ſtand auf einmal
ihre heilige Seele unwiſſend ohne Flor vor ihm;
denn ſie hatte im Donnerhäuschen von der un¬
ſichtbaren Karoline das Ja zu ihrer Liebe em¬
pfangen, weil jene ihr Geſchöpf war und die¬
ſes ihre — Eingebung. Ja wohl Himmliſche!
du ſtehſt vor dem Spiegel mit dem jungfräu¬
lichen Schleier über deiner Geſtalt, und wenn
dein Bild ſeinen leiſe hebt, glaubſt du dich
noch verhüllt! —
Kein Wort ſpricht Albano's Verehrung
eines ſo geheiligten Herzens aus, das ver¬
klärte Weſen ſo helle träumte — deſſen goldne
Blumen auf dem Gedanken des Todes, wie
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Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/201>, abgerufen am 17.07.2024.
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