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Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.

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"Das sey ja das göttliche Wesen, aber nicht
"der flüchtige, sündige, wechselnde Mensch. Da¬
"her müsse sich das liebekranke Herz in die
"Geber dieser und jeder Liebe selber, in die
"Fülle alles Guten und Schönen, in die unei¬
"gennützige, unbegränzte All-Liebe senken und
"darin zergehen und aufleben, seelig im Wech¬
"sel des Zusammenziehens und Ausdehnens.
"Dann sieht es zurück auf die Welt und sin¬
"get überall Gott und seinen Wiederschein --
"die Welten sind seine Thaten -- jeder from¬
"me Mensch ist ein Wort, ein Blick des All¬
"Liebenden; denn die Liebe zu Gott ist das
"göttliche und ihn meint das Herz in jedem
"Herz." -- --

"Aber -- (sagte Albano, dessen frisches
"energisches Leben aller mystischen Vernichtung
"widersträubte -- ) wie liebt uns denn Gott?"
"Nie ein Vater sein Kind, nicht weil es das
"beste ist, sondern weil es ihn braucht." *) "Und

*) Irgend eine uneigennützige Liebe muß ewig ge¬

„Das ſey ja das göttliche Weſen, aber nicht
„der flüchtige, ſündige, wechſelnde Menſch. Da¬
„her müſſe ſich das liebekranke Herz in die
„Geber dieſer und jeder Liebe ſelber, in die
„Fülle alles Guten und Schönen, in die unei¬
„gennützige, unbegränzte All-Liebe ſenken und
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„ſel des Zuſammenziehens und Ausdehnens.
„Dann ſieht es zurück auf die Welt und ſin¬
„get überall Gott und ſeinen Wiederſchein —
„die Welten ſind ſeine Thaten — jeder from¬
„me Menſch iſt ein Wort, ein Blick des All¬
„Liebenden; denn die Liebe zu Gott iſt das
„göttliche und ihn meint das Herz in jedem
„Herz.“ — —

„Aber — (ſagte Albano, deſſen friſches
„energiſches Leben aller myſtiſchen Vernichtung
„widerſträubte — ) wie liebt uns denn Gott?“
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[183/0191] „Das ſey ja das göttliche Weſen, aber nicht „der flüchtige, ſündige, wechſelnde Menſch. Da¬ „her müſſe ſich das liebekranke Herz in die „Geber dieſer und jeder Liebe ſelber, in die „Fülle alles Guten und Schönen, in die unei¬ „gennützige, unbegränzte All-Liebe ſenken und „darin zergehen und aufleben, ſeelig im Wech¬ „ſel des Zuſammenziehens und Ausdehnens. „Dann ſieht es zurück auf die Welt und ſin¬ „get überall Gott und ſeinen Wiederſchein — „die Welten ſind ſeine Thaten — jeder from¬ „me Menſch iſt ein Wort, ein Blick des All¬ „Liebenden; denn die Liebe zu Gott iſt das „göttliche und ihn meint das Herz in jedem „Herz.“ — — „Aber — (ſagte Albano, deſſen friſches „energiſches Leben aller myſtiſchen Vernichtung „widerſträubte — ) wie liebt uns denn Gott?“ „Nie ein Vater ſein Kind, nicht weil es das „beſte iſt, ſondern weil es ihn braucht.“ *) „Und *) Irgend eine uneigennützige Liebe muß ewig ge¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/191>, abgerufen am 24.11.2024.