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Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.

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der gleichgültig gegen sie, nur in Gott lebt.
Er kam gegen die Erwartung eines kirchlichen
Ernstes mit einem leichten Scherz über die
bunte Reihe an und legte die segnenden Fin¬
ger auf Lianens Stirn, die seine Enkelin zu
seyn schien, gleichsam eine zweite Baum-Blüthe
im Spätherbst des Lebens. Sie steckte ihm
töchterlich den Straus der Zwerg-Röschen an
die Brust und gab sehr Acht, ob es ihn beson¬
ders freue. Sie lächelte ganz heiter und alle
ihre Thränen schienen verweht; aber sie glich
dem beregneten Baum unter der wiederlachen¬
den Sonne, die kleinste Erschütterung wirft den
alten Regen vom stillen Laub.

Der alte Mann erfreuete sich über die
Theilnahme der jungen Leute und blieb mit
ihnen auf der blühenden und lärmenden An¬
höhe, welche zwischen einer weiten Land¬
schaft und zwischen den reichbeladen ins Ely¬
sium hineinlaufenden Bergrücken thronte. Sie
ließen ihn, da zu ihm wie zu einem der im
Luftschif aufsteigt, die Töne der Erde nicht so
weit nachreichten als die Gestalten, mehr re¬
den als hören, wie man Alte schonet.

der gleichgültig gegen ſie, nur in Gott lebt.
Er kam gegen die Erwartung eines kirchlichen
Ernſtes mit einem leichten Scherz über die
bunte Reihe an und legte die ſegnenden Fin¬
ger auf Lianens Stirn, die ſeine Enkelin zu
ſeyn ſchien, gleichſam eine zweite Baum-Blüthe
im Spätherbſt des Lebens. Sie ſteckte ihm
töchterlich den Straus der Zwerg-Röſchen an
die Bruſt und gab ſehr Acht, ob es ihn beſon¬
ders freue. Sie lächelte ganz heiter und alle
ihre Thränen ſchienen verweht; aber ſie glich
dem beregneten Baum unter der wiederlachen¬
den Sonne, die kleinſte Erſchütterung wirft den
alten Regen vom ſtillen Laub.

Der alte Mann erfreuete ſich über die
Theilnahme der jungen Leute und blieb mit
ihnen auf der blühenden und lärmenden An¬
höhe, welche zwiſchen einer weiten Land¬
ſchaft und zwiſchen den reichbeladen ins Ely¬
ſium hineinlaufenden Bergrücken thronte. Sie
ließen ihn, da zu ihm wie zu einem der im
Luftſchif aufſteigt, die Töne der Erde nicht ſo
weit nachreichten als die Geſtalten, mehr re¬
den als hören, wie man Alte ſchonet.

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[181/0189] der gleichgültig gegen ſie, nur in Gott lebt. Er kam gegen die Erwartung eines kirchlichen Ernſtes mit einem leichten Scherz über die bunte Reihe an und legte die ſegnenden Fin¬ ger auf Lianens Stirn, die ſeine Enkelin zu ſeyn ſchien, gleichſam eine zweite Baum-Blüthe im Spätherbſt des Lebens. Sie ſteckte ihm töchterlich den Straus der Zwerg-Röſchen an die Bruſt und gab ſehr Acht, ob es ihn beſon¬ ders freue. Sie lächelte ganz heiter und alle ihre Thränen ſchienen verweht; aber ſie glich dem beregneten Baum unter der wiederlachen¬ den Sonne, die kleinſte Erſchütterung wirft den alten Regen vom ſtillen Laub. Der alte Mann erfreuete ſich über die Theilnahme der jungen Leute und blieb mit ihnen auf der blühenden und lärmenden An¬ höhe, welche zwiſchen einer weiten Land¬ ſchaft und zwiſchen den reichbeladen ins Ely¬ ſium hineinlaufenden Bergrücken thronte. Sie ließen ihn, da zu ihm wie zu einem der im Luftſchif aufſteigt, die Töne der Erde nicht ſo weit nachreichten als die Geſtalten, mehr re¬ den als hören, wie man Alte ſchonet.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/189>, abgerufen am 24.11.2024.