Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.Frühlingsäther schimmerte. Die Gute schien *) Dieses Selbst-Ertönen -- wie die Riesenharfe
bei verändertem Wetter unberührt anklingt -- ist in Migraine und andern Krankheiten der Schwä¬ che häufig; daher im Sterben; z. B. in Jakob Böhme schlug das Leben wie eine Konzertuhr seine Stunde von Harmonien umrungen aus. Frühlingsäther ſchimmerte. Die Gute ſchien *) Dieſes Selbſt-Ertönen — wie die Rieſenharfe
bei verändertem Wetter unberührt anklingt — iſt in Migraine und andern Krankheiten der Schwä¬ che häufig; daher im Sterben; z. B. in Jakob Böhme ſchlug das Leben wie eine Konzertuhr ſeine Stunde von Harmonien umrungen aus. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0186" n="178"/> Frühlingsäther ſchimmerte. Die Gute ſchien<lb/> heute ſtiller, ernſter und unruhiger als ſonſt.<lb/> Als ſie durch ein überall ofnes Laubwäldchen<lb/> am Hügelrücken, der das Flötenthal umzog,<lb/> hingingen: ſagte Liane plötzlich zum Grafen,<lb/> ſie höre Flöten. Kaum konnt' er ſagen, er höre<lb/> nur ferne Turteltauben: als ſie auf einmal ſich<lb/> wie zu etwas Wunderbarem ſammlete — ihr<lb/> Auge in den Himmel heftete — lächelte — und<lb/> plötzlich ſich nach Albano umſah und roth<lb/> wurde. Sie redete ihn an: „ich will aufrichtig<lb/> „ſeyn, ich höre jetzt in mir Muſik — <note place="foot" n="*)"><lb/> Dieſes Selbſt-Ertönen — wie die Rieſenharfe<lb/> bei verändertem Wetter unberührt anklingt — iſt<lb/> in Migraine und andern Krankheiten der Schwä¬<lb/> che häufig; daher im Sterben; z. B. in Jakob<lb/> Böhme ſchlug das Leben wie eine Konzertuhr<lb/> ſeine Stunde von Harmonien umrungen aus.</note> ſehen<lb/> „Sie mir heute meine Schwäche und Weichheit<lb/> „nach; es kommt von geſtern.“ — „Ich —<lb/> „Ihnen?“ ſagt' er heftig; denn er, um welchen<lb/> in Krankheiten nur brennende Bilder ſtürmten,<lb/> wurde zur Verehrung eines Weſens begeiſtert,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [178/0186]
Frühlingsäther ſchimmerte. Die Gute ſchien
heute ſtiller, ernſter und unruhiger als ſonſt.
Als ſie durch ein überall ofnes Laubwäldchen
am Hügelrücken, der das Flötenthal umzog,
hingingen: ſagte Liane plötzlich zum Grafen,
ſie höre Flöten. Kaum konnt' er ſagen, er höre
nur ferne Turteltauben: als ſie auf einmal ſich
wie zu etwas Wunderbarem ſammlete — ihr
Auge in den Himmel heftete — lächelte — und
plötzlich ſich nach Albano umſah und roth
wurde. Sie redete ihn an: „ich will aufrichtig
„ſeyn, ich höre jetzt in mir Muſik — *) ſehen
„Sie mir heute meine Schwäche und Weichheit
„nach; es kommt von geſtern.“ — „Ich —
„Ihnen?“ ſagt' er heftig; denn er, um welchen
in Krankheiten nur brennende Bilder ſtürmten,
wurde zur Verehrung eines Weſens begeiſtert,
*)
Dieſes Selbſt-Ertönen — wie die Rieſenharfe
bei verändertem Wetter unberührt anklingt — iſt
in Migraine und andern Krankheiten der Schwä¬
che häufig; daher im Sterben; z. B. in Jakob
Böhme ſchlug das Leben wie eine Konzertuhr
ſeine Stunde von Harmonien umrungen aus.
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Zitationshilfe: | Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/186>, abgerufen am 17.07.2024. |