Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.

Bild:
<< vorherige Seite

Vater, der die "Kopf- und Ohrenhängerei des
"jetzigen jungen Volks" gegen die Ehrensprün¬
ge seiner Kammeraden hielt, wurde an den
Hauptmann gekettet, der sich als Regisseur sei¬
nes innern Theaters heute die Rolle eines fro¬
hen Jünglings zugetheilt hatte. Er gefiel ihm
sogar durch die derben Redeblumen, die das
verborgne Wehen von ihm losblätterte; denn
da jedes Genie sein Grobians-Idiotikon, sei¬
ne Knittelverse haben muß: so hatt' er -- an¬
dere haben den Teufel, den Henker, -- den
genialischen Handwerksgruß: Lump sammt den
Derivativis Lumperei u. s. w. Aber wie noch
hinreißender nahm Albano alle weibliche Her¬
zen durch die Stille weg, womit er wie ein
ruhiger Nachsommer seine Früchte fallen lies.
Die Eltern schrieben diese weiche Haltung dem
Stadtleben zu, als wäre nicht Karl länger in
diese Malerschule gegangen. Nein, die Liebe
ist die italienische Schule des Mannes; und
der kräftigere und höhere ist eben der höhern
Zartheit fähig, wie auf hohen Bäumen sich
das Obst milder und süßer ründet als auf nie¬
drigen. Nicht an unmännlichen Karaktern

Vater, der die „Kopf- und Ohrenhängerei des
„jetzigen jungen Volks“ gegen die Ehrenſprün¬
ge ſeiner Kammeraden hielt, wurde an den
Hauptmann gekettet, der ſich als Regiſſeur ſei¬
nes innern Theaters heute die Rolle eines fro¬
hen Jünglings zugetheilt hatte. Er gefiel ihm
ſogar durch die derben Redeblumen, die das
verborgne Wehen von ihm losblätterte; denn
da jedes Genie ſein Grobians-Idiotikon, ſei¬
ne Knittelverſe haben muß: ſo hatt' er — an¬
dere haben den Teufel, den Henker, — den
genialiſchen Handwerksgruß: Lump ſammt den
Derivativis Lumperei u. ſ. w. Aber wie noch
hinreißender nahm Albano alle weibliche Her¬
zen durch die Stille weg, womit er wie ein
ruhiger Nachſommer ſeine Früchte fallen lies.
Die Eltern ſchrieben dieſe weiche Haltung dem
Stadtleben zu, als wäre nicht Karl länger in
dieſe Malerſchule gegangen. Nein, die Liebe
iſt die italieniſche Schule des Mannes; und
der kräftigere und höhere iſt eben der höhern
Zartheit fähig, wie auf hohen Bäumen ſich
das Obſt milder und ſüßer ründet als auf nie¬
drigen. Nicht an unmännlichen Karaktern

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0183" n="175"/>
Vater, der die &#x201E;Kopf- und Ohrenhängerei des<lb/>
&#x201E;jetzigen jungen Volks&#x201C; gegen die Ehren&#x017F;prün¬<lb/>
ge &#x017F;einer Kammeraden hielt, wurde an den<lb/>
Hauptmann gekettet, der &#x017F;ich als Regi&#x017F;&#x017F;eur &#x017F;ei¬<lb/>
nes innern Theaters heute die Rolle eines fro¬<lb/>
hen Jünglings zugetheilt hatte. Er gefiel ihm<lb/>
&#x017F;ogar durch die derben Redeblumen, die das<lb/>
verborgne Wehen von ihm losblätterte; denn<lb/>
da jedes Genie &#x017F;ein Grobians-Idiotikon, &#x017F;ei¬<lb/>
ne Knittelver&#x017F;e haben muß: &#x017F;o hatt' er &#x2014; an¬<lb/>
dere haben den Teufel, den Henker, &#x2014; den<lb/>
geniali&#x017F;chen Handwerksgruß: Lump &#x017F;ammt den<lb/>
Derivativis Lumperei u. &#x017F;. w. Aber wie noch<lb/>
hinreißender nahm Albano alle weibliche Her¬<lb/>
zen durch die Stille weg, womit er wie ein<lb/>
ruhiger Nach&#x017F;ommer &#x017F;eine Früchte fallen lies.<lb/>
Die Eltern &#x017F;chrieben die&#x017F;e weiche Haltung dem<lb/>
Stadtleben zu, als wäre nicht Karl länger in<lb/>
die&#x017F;e Maler&#x017F;chule gegangen. Nein, die Liebe<lb/>
i&#x017F;t die italieni&#x017F;che Schule des Mannes; und<lb/>
der kräftigere und höhere i&#x017F;t eben der höhern<lb/>
Zartheit fähig, wie auf hohen Bäumen &#x017F;ich<lb/>
das Ob&#x017F;t milder und &#x017F;üßer ründet als auf nie¬<lb/>
drigen. Nicht an unmännlichen Karaktern<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[175/0183] Vater, der die „Kopf- und Ohrenhängerei des „jetzigen jungen Volks“ gegen die Ehrenſprün¬ ge ſeiner Kammeraden hielt, wurde an den Hauptmann gekettet, der ſich als Regiſſeur ſei¬ nes innern Theaters heute die Rolle eines fro¬ hen Jünglings zugetheilt hatte. Er gefiel ihm ſogar durch die derben Redeblumen, die das verborgne Wehen von ihm losblätterte; denn da jedes Genie ſein Grobians-Idiotikon, ſei¬ ne Knittelverſe haben muß: ſo hatt' er — an¬ dere haben den Teufel, den Henker, — den genialiſchen Handwerksgruß: Lump ſammt den Derivativis Lumperei u. ſ. w. Aber wie noch hinreißender nahm Albano alle weibliche Her¬ zen durch die Stille weg, womit er wie ein ruhiger Nachſommer ſeine Früchte fallen lies. Die Eltern ſchrieben dieſe weiche Haltung dem Stadtleben zu, als wäre nicht Karl länger in dieſe Malerſchule gegangen. Nein, die Liebe iſt die italieniſche Schule des Mannes; und der kräftigere und höhere iſt eben der höhern Zartheit fähig, wie auf hohen Bäumen ſich das Obſt milder und ſüßer ründet als auf nie¬ drigen. Nicht an unmännlichen Karaktern

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/183
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/183>, abgerufen am 24.11.2024.