Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.sobald er mit dem Muschelwagen der Venus Wie herrlich flog der Vormittag dahin auf ſobald er mit dem Muſchelwagen der Venus Wie herrlich flog der Vormittag dahin auf <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0179" n="171"/> ſobald er mit dem Muſchelwagen der Venus<lb/> vorfahre, wovor er eine Taube und einen Ha¬<lb/> bicht vorgehängt.</p><lb/> <p>Wie herrlich flog der Vormittag dahin auf<lb/> goldnen Flügeldecken und auf durchſichtigen<lb/> Flügeln! Der geliebte Albano wurde in alle<lb/> Veränderungen des Hauſes eingeführt; die<lb/> ſchönſte war in ſeiner Studierſtube, welche Ra¬<lb/> bette in ihre Putz-, Näh- und Studierſtube um¬<lb/> gekleidet hatte, die ſeit geſtern wieder zum Gaſt-<lb/> und Leſeſtübchen Lianens geworden. Wie gern<lb/> trat er ans Fenſter nach Abend, wo er ſo oft<lb/> im Kryſtallſpiegel ſeiner Phantaſie ſeinen un¬<lb/> ſichtbaren Vater und die Geliebte überirrdiſch<lb/> erſcheinen laſſen! In die Scheiben waren von<lb/> ſeiner Knabenhand viele <hi rendition="#aq">L</hi>. und <hi rendition="#aq">R</hi>. gezogen. Li¬<lb/> ane fragte, was die <hi rendition="#aq">R</hi> bedeuteten; — „Roquai¬<lb/> „rol“ ſagte er, denn ſie fragte nicht nach<lb/> dem <hi rendition="#aq">L</hi>. Unendlich ſüß floß die Betrachtung um<lb/> ſein Herz, daß doch ſeine Geliebte in der träu¬<lb/> meriſchen Klauſe ſeines erſten grünen Lebens<lb/> einige blühende Tage verlebe. Liane zeigte<lb/> ihm mit kindlicher Freude, wie ſie alles, näm¬<lb/> lich das Zimmer, redlich mit Rabetten theile in<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [171/0179]
ſobald er mit dem Muſchelwagen der Venus
vorfahre, wovor er eine Taube und einen Ha¬
bicht vorgehängt.
Wie herrlich flog der Vormittag dahin auf
goldnen Flügeldecken und auf durchſichtigen
Flügeln! Der geliebte Albano wurde in alle
Veränderungen des Hauſes eingeführt; die
ſchönſte war in ſeiner Studierſtube, welche Ra¬
bette in ihre Putz-, Näh- und Studierſtube um¬
gekleidet hatte, die ſeit geſtern wieder zum Gaſt-
und Leſeſtübchen Lianens geworden. Wie gern
trat er ans Fenſter nach Abend, wo er ſo oft
im Kryſtallſpiegel ſeiner Phantaſie ſeinen un¬
ſichtbaren Vater und die Geliebte überirrdiſch
erſcheinen laſſen! In die Scheiben waren von
ſeiner Knabenhand viele L. und R. gezogen. Li¬
ane fragte, was die R bedeuteten; — „Roquai¬
„rol“ ſagte er, denn ſie fragte nicht nach
dem L. Unendlich ſüß floß die Betrachtung um
ſein Herz, daß doch ſeine Geliebte in der träu¬
meriſchen Klauſe ſeines erſten grünen Lebens
einige blühende Tage verlebe. Liane zeigte
ihm mit kindlicher Freude, wie ſie alles, näm¬
lich das Zimmer, redlich mit Rabetten theile in
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Zitationshilfe: | Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/179>, abgerufen am 17.07.2024. |