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Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.

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Wandtapete -- und wühlte das feste Land zum
flüssigen um. Die nahen Bäume schüttelten sich
wie Tauben süß-schauernd in seinem Bade,
aber in der Ferne standen die Wälder wie ge¬
rüstete Heere fest und ihre Gipfel wie Lanzen.
-- Majestätisch schwammen durch das Blau
die silbernen Inseln, die Wolken, und auf der
Erde schritten Schatten riesenhaft über Ströme
und über Berge -- im Thale blitzte die Rosana
und rollte in den Eichenhain. -- Er trat ins
warme Thal hinab, die Weiden schäumten und
ihr Same spielte in seiner Wolken-Flocke eh'
ihn die Erde befestigte -- der Schwan dehnte
wollüstig den langen Flügel, gepaarte Tauben
ätzten sich vor Liebe und überall lagen die
Beete und Zweige voll heißer Mutterbrüste
und Eier. -- Wie ein herrlicher blauer Blu¬
menstrauß schillerte in hohen Gräsern der Hals
des ruhenden Pfaues. -- Er trat unter die
Eichen, die mit knotigen Armen den Himmel an¬
faßten und mit knotigen Wurzeln die Erde. --
Die Rosana sprach allein mit dem brausenden
Wald und fraß schäumend an Felsenstücken
und am morschen Ufer -- Nacht und Abend

Wandtapete — und wühlte das feſte Land zum
flüſſigen um. Die nahen Bäume ſchüttelten ſich
wie Tauben ſüß-ſchauernd in ſeinem Bade,
aber in der Ferne ſtanden die Wälder wie ge¬
rüſtete Heere feſt und ihre Gipfel wie Lanzen.
— Majeſtätiſch ſchwammen durch das Blau
die ſilbernen Inſeln, die Wolken, und auf der
Erde ſchritten Schatten rieſenhaft über Ströme
und über Berge — im Thale blitzte die Roſana
und rollte in den Eichenhain. — Er trat ins
warme Thal hinab, die Weiden ſchäumten und
ihr Same ſpielte in ſeiner Wolken-Flocke eh'
ihn die Erde befeſtigte — der Schwan dehnte
wollüſtig den langen Flügel, gepaarte Tauben
ätzten ſich vor Liebe und überall lagen die
Beete und Zweige voll heißer Mutterbrüſte
und Eier. — Wie ein herrlicher blauer Blu¬
menſtrauß ſchillerte in hohen Gräſern der Hals
des ruhenden Pfaues. — Er trat unter die
Eichen, die mit knotigen Armen den Himmel an¬
faßten und mit knotigen Wurzeln die Erde. —
Die Roſana ſprach allein mit dem brauſenden
Wald und fraß ſchäumend an Felſenſtücken
und am morſchen Ufer — Nacht und Abend

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[159/0167] Wandtapete — und wühlte das feſte Land zum flüſſigen um. Die nahen Bäume ſchüttelten ſich wie Tauben ſüß-ſchauernd in ſeinem Bade, aber in der Ferne ſtanden die Wälder wie ge¬ rüſtete Heere feſt und ihre Gipfel wie Lanzen. — Majeſtätiſch ſchwammen durch das Blau die ſilbernen Inſeln, die Wolken, und auf der Erde ſchritten Schatten rieſenhaft über Ströme und über Berge — im Thale blitzte die Roſana und rollte in den Eichenhain. — Er trat ins warme Thal hinab, die Weiden ſchäumten und ihr Same ſpielte in ſeiner Wolken-Flocke eh' ihn die Erde befeſtigte — der Schwan dehnte wollüſtig den langen Flügel, gepaarte Tauben ätzten ſich vor Liebe und überall lagen die Beete und Zweige voll heißer Mutterbrüſte und Eier. — Wie ein herrlicher blauer Blu¬ menſtrauß ſchillerte in hohen Gräſern der Hals des ruhenden Pfaues. — Er trat unter die Eichen, die mit knotigen Armen den Himmel an¬ faßten und mit knotigen Wurzeln die Erde. — Die Roſana ſprach allein mit dem brauſenden Wald und fraß ſchäumend an Felſenſtücken und am morſchen Ufer — Nacht und Abend

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/167>, abgerufen am 24.11.2024.