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Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.

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hinunter, um zu hören, wie es sich von Wei¬
tem anhöre. Gleichsam zum schmerzlichen Son¬
nenstich einer zu schnellen und großen Lust fuhr
sein Herz auf, er hörte den Siegeswagen der
Liebe von ferne rollen und er wollte in ihn
springen und dahin rauschen ins Leben. Die
gläubige Liane hielt das Entfernen für einen
Schleier, den Rabette über das in den Tönen
süß brechende Auge werfen wolle; und zog so¬
gleich die Hände von den Glocken; aber Ra¬
bette küßte sie bittend, drückte ihr die Hände
selber darauf und lief hinab. "Das treue
"Herz!" sagte Liane; aber das arglose helle
Vertrauen auf die Freundin rührte ihn und er
konnte nicht Ja sagen.

Wenn in den Fluren Persiens ein Glückli¬
cher, der auf der üppigen Aue tief unter Nelken
und Lilien und Tulpen schlief, vor dem ersten
Abendrufe der Nachtigal seelig die Augen auf¬
schlägt in die laue stille Welt und in die bunte
Dämmerung, durch welche einige Goldfaden der
Abendsonne glühend fließen : so gleicht der See¬
lige dem Jüngling Albano im magischen Zim¬

Titan II. K

hinunter, um zu hören, wie es ſich von Wei¬
tem anhöre. Gleichſam zum ſchmerzlichen Son¬
nenſtich einer zu ſchnellen und großen Luſt fuhr
ſein Herz auf, er hörte den Siegeswagen der
Liebe von ferne rollen und er wollte in ihn
ſpringen und dahin rauſchen ins Leben. Die
gläubige Liane hielt das Entfernen für einen
Schleier, den Rabette über das in den Tönen
ſüß brechende Auge werfen wolle; und zog ſo¬
gleich die Hände von den Glocken; aber Ra¬
bette küßte ſie bittend, drückte ihr die Hände
ſelber darauf und lief hinab. „Das treue
„Herz!“ ſagte Liane; aber das argloſe helle
Vertrauen auf die Freundin rührte ihn und er
konnte nicht Ja ſagen.

Wenn in den Fluren Perſiens ein Glückli¬
cher, der auf der üppigen Aue tief unter Nelken
und Lilien und Tulpen ſchlief, vor dem erſten
Abendrufe der Nachtigal ſeelig die Augen auf¬
ſchlägt in die laue ſtille Welt und in die bunte
Dämmerung, durch welche einige Goldfaden der
Abendſonne glühend fließen : ſo gleicht der See¬
lige dem Jüngling Albano im magiſchen Zim¬

Titan II. K
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[145/0153] hinunter, um zu hören, wie es ſich von Wei¬ tem anhöre. Gleichſam zum ſchmerzlichen Son¬ nenſtich einer zu ſchnellen und großen Luſt fuhr ſein Herz auf, er hörte den Siegeswagen der Liebe von ferne rollen und er wollte in ihn ſpringen und dahin rauſchen ins Leben. Die gläubige Liane hielt das Entfernen für einen Schleier, den Rabette über das in den Tönen ſüß brechende Auge werfen wolle; und zog ſo¬ gleich die Hände von den Glocken; aber Ra¬ bette küßte ſie bittend, drückte ihr die Hände ſelber darauf und lief hinab. „Das treue „Herz!“ ſagte Liane; aber das argloſe helle Vertrauen auf die Freundin rührte ihn und er konnte nicht Ja ſagen. Wenn in den Fluren Perſiens ein Glückli¬ cher, der auf der üppigen Aue tief unter Nelken und Lilien und Tulpen ſchlief, vor dem erſten Abendrufe der Nachtigal ſeelig die Augen auf¬ ſchlägt in die laue ſtille Welt und in die bunte Dämmerung, durch welche einige Goldfaden der Abendſonne glühend fließen : ſo gleicht der See¬ lige dem Jüngling Albano im magiſchen Zim¬ Titan II. K

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/153>, abgerufen am 22.11.2024.