Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.nicht nur den Anfang seines Lenzes sondern *) Bekanntlich sind die Frühlingsblumen wegen
der Nässe und des Schattens meist verdächtige; wie die Herbstblumen. nicht nur den Anfang ſeines Lenzes ſondern *) Bekanntlich ſind die Frühlingsblumen wegen
der Näſſe und des Schattens meiſt verdächtige; wie die Herbſtblumen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0146" n="138"/> nicht nur den Anfang ſeines Lenzes ſondern<lb/> auch das Ende ſeines Herbſtes mit Giftblu¬<lb/> men <note place="foot" n="*)"><lb/> Bekanntlich ſind die Frühlingsblumen wegen<lb/> der Näſſe und des Schattens meiſt verdächtige;<lb/> wie die Herbſtblumen.</note> machte, H. <hi rendition="#aq">v</hi>. <hi rendition="#aq">Bouverot</hi>. Dian hatt'<lb/> ihm vier himmliſche Kopien aus Rom geſandt;<lb/> dieſe ſchlug er mit trocknem Kunſtgaumen auf.<lb/> — Liane empfieng den Grafen wieder wie im¬<lb/> mer. War etwan Raphaels <hi rendition="#aq">Madonna della<lb/> Sedia</hi>, in deren vom Himmel geſunknes Palla¬<lb/> dium ſich ihre zarte Seele eingeſenkt, die Sie¬<lb/> gelbewahrerin ihres heiligſten Geheimniſſes?<lb/> Der alles vergeſſende Künſtler-Eifer ließ ihr ſo<lb/> hold! Ihre Sehnerven waren durch ihr langes<lb/> Malen gleichſam weiche Fühlfäden geworden,<lb/> die ſich eng um ſchöne Formen ſchloſſen. Gewiſſe<lb/> weibliche Bilder— wie dieſes, regten ihre gan¬<lb/> ze Seele auf. Sie hatte nämlich in der Kindheit<lb/> ſich von den Heldinnen der Romane und über¬<lb/> all von ungeſehenen Weibern glänzende Stern¬<lb/> bilder in ihren innern Himmel hingezeichnet,<lb/> große Ideen von ihrem Muthe, ihrem himmli¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [138/0146]
nicht nur den Anfang ſeines Lenzes ſondern
auch das Ende ſeines Herbſtes mit Giftblu¬
men *) machte, H. v. Bouverot. Dian hatt'
ihm vier himmliſche Kopien aus Rom geſandt;
dieſe ſchlug er mit trocknem Kunſtgaumen auf.
— Liane empfieng den Grafen wieder wie im¬
mer. War etwan Raphaels Madonna della
Sedia, in deren vom Himmel geſunknes Palla¬
dium ſich ihre zarte Seele eingeſenkt, die Sie¬
gelbewahrerin ihres heiligſten Geheimniſſes?
Der alles vergeſſende Künſtler-Eifer ließ ihr ſo
hold! Ihre Sehnerven waren durch ihr langes
Malen gleichſam weiche Fühlfäden geworden,
die ſich eng um ſchöne Formen ſchloſſen. Gewiſſe
weibliche Bilder— wie dieſes, regten ihre gan¬
ze Seele auf. Sie hatte nämlich in der Kindheit
ſich von den Heldinnen der Romane und über¬
all von ungeſehenen Weibern glänzende Stern¬
bilder in ihren innern Himmel hingezeichnet,
große Ideen von ihrem Muthe, ihrem himmli¬
*)
Bekanntlich ſind die Frühlingsblumen wegen
der Näſſe und des Schattens meiſt verdächtige;
wie die Herbſtblumen.
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Zitationshilfe: | Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/146>, abgerufen am 17.07.2024. |