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Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.

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"klammerte, daß er die Arme so wenig freibehielte
"als trag' er sie in Bandagen von 80 Köpfen."
Die sarkastische Lebhaftigkeit seiner Pantomime
erkältete durch den Schein einer strengern Be¬
obachtung den Hauptmann mehr als das ge¬
lassene Gesicht des Lektors, der eben darum al¬
les schärfer ins stille Auge faßte.

Der gute Schoppe hatte einen Fehler, den
kein Albano vergiebt; nähmlich seine Intoleranz
gegen die "weiblichen Heiligenbilder von Hau¬
"senblase," wie er sagte, gegen die sanften Ir¬
rungen des Herzens, gegen die heiligen Über¬
treibungen, durch welche der Mensch ins kurze
Leben eine noch kürzere Freude einwebt. Einst
gieng Karl wie auf einer Bühne mit unterge¬
steckten Armen und niedergesenktem Kopfe auf
und ab und sagte zufällig, daß es der Titular-
Bibliothekar vernahm: "o ich wurde noch we¬
"nig von den Menschen verstanden in meiner
"Jugend." Weiter sagt' er nichts; aber man
schütte aus Scherz ein Mandel Hornisse, ein
Schock Krebse, eine Kanne voll Waldameisen
auf einmal über die bibliothekarische Haut;
und beobachte flüchtig die Wirkungen des

Ste¬

„klammerte, daß er die Arme ſo wenig freibehielte
„als trag' er ſie in Bandagen von 80 Köpfen.“
Die ſarkaſtiſche Lebhaftigkeit ſeiner Pantomime
erkältete durch den Schein einer ſtrengern Be¬
obachtung den Hauptmann mehr als das ge¬
laſſene Geſicht des Lektors, der eben darum al¬
les ſchärfer ins ſtille Auge faßte.

Der gute Schoppe hatte einen Fehler, den
kein Albano vergiebt; nähmlich ſeine Intoleranz
gegen die „weiblichen Heiligenbilder von Hau¬
„ſenblaſe,“ wie er ſagte, gegen die ſanften Ir¬
rungen des Herzens, gegen die heiligen Über¬
treibungen, durch welche der Menſch ins kurze
Leben eine noch kürzere Freude einwebt. Einſt
gieng Karl wie auf einer Bühne mit unterge¬
ſteckten Armen und niedergeſenktem Kopfe auf
und ab und ſagte zufällig, daß es der Titular-
Bibliothekar vernahm: „o ich wurde noch we¬
„nig von den Menſchen verſtanden in meiner
„Jugend.“ Weiter ſagt' er nichts; aber man
ſchütte aus Scherz ein Mandel Horniſſe, ein
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auf einmal über die bibliothekariſche Haut;
und beobachte flüchtig die Wirkungen des

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[128/0136] „klammerte, daß er die Arme ſo wenig freibehielte „als trag' er ſie in Bandagen von 80 Köpfen.“ Die ſarkaſtiſche Lebhaftigkeit ſeiner Pantomime erkältete durch den Schein einer ſtrengern Be¬ obachtung den Hauptmann mehr als das ge¬ laſſene Geſicht des Lektors, der eben darum al¬ les ſchärfer ins ſtille Auge faßte. Der gute Schoppe hatte einen Fehler, den kein Albano vergiebt; nähmlich ſeine Intoleranz gegen die „weiblichen Heiligenbilder von Hau¬ „ſenblaſe,“ wie er ſagte, gegen die ſanften Ir¬ rungen des Herzens, gegen die heiligen Über¬ treibungen, durch welche der Menſch ins kurze Leben eine noch kürzere Freude einwebt. Einſt gieng Karl wie auf einer Bühne mit unterge¬ ſteckten Armen und niedergeſenktem Kopfe auf und ab und ſagte zufällig, daß es der Titular- Bibliothekar vernahm: „o ich wurde noch we¬ „nig von den Menſchen verſtanden in meiner „Jugend.“ Weiter ſagt' er nichts; aber man ſchütte aus Scherz ein Mandel Horniſſe, ein Schock Krebſe, eine Kanne voll Waldameiſen auf einmal über die bibliothekariſche Haut; und beobachte flüchtig die Wirkungen des Ste¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/136>, abgerufen am 27.11.2024.