Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.

Bild:
<< vorherige Seite

aus dem Zimmer. Jetzt schaute er Lianen, die
ihn darüber tadelte, näher ins Auge und auch
ihres hatte geweint. Sie wollte ihm anfangs
den Gegenstand der verschwisterten Rührung
verhehlen; aber das fremde Nein war für ihn
von jeher ein Hülfswort, ein Rückenwind, der
ihn in den Hafen brachte. Liane wurde immer
bewegter, endlich erzählte sie, daß Rabettens
Berichte von Albano's Jugendgeschichte ihr die
von den seinigen abgefodert und daß sie ihr die
Sterbe-Nacht auf der Redoute gemalt und so¬
gar sein blutiges Kleid gewiesen habe. "Und
"da weinte sie, (sagte Lianen) mit mir so herzlich
"als wenn sie deine Schwester wäre. -- O es
"ist ein liebes Herz!" Karl sah beide wie
zwei Auen mit einander verbunden, nähmlich
durch den Regenbogen, der auf beiden mit
Tropfen aufsteht; er zog sie mit dankender Lie¬
be an die Brust. "Bist du denn glücklich?"
fragte Liane mit einem Ton, der etwas Trübes
weissagt.

Sie mußte ihr volles Herz aufschließen und
ihm alles sagen -- -- staunend höret er, daß
ihr die ganze Tartarus-Nacht, worin die un¬

aus dem Zimmer. Jetzt ſchaute er Lianen, die
ihn darüber tadelte, näher ins Auge und auch
ihres hatte geweint. Sie wollte ihm anfangs
den Gegenſtand der verſchwiſterten Rührung
verhehlen; aber das fremde Nein war für ihn
von jeher ein Hülfswort, ein Rückenwind, der
ihn in den Hafen brachte. Liane wurde immer
bewegter, endlich erzählte ſie, daß Rabettens
Berichte von Albano's Jugendgeſchichte ihr die
von den ſeinigen abgefodert und daß ſie ihr die
Sterbe-Nacht auf der Redoute gemalt und ſo¬
gar ſein blutiges Kleid gewieſen habe. „Und
„da weinte ſie, (ſagte Lianen) mit mir ſo herzlich
„als wenn ſie deine Schweſter wäre. — O es
„iſt ein liebes Herz!“ Karl ſah beide wie
zwei Auen mit einander verbunden, nähmlich
durch den Regenbogen, der auf beiden mit
Tropfen aufſteht; er zog ſie mit dankender Lie¬
be an die Bruſt. „Biſt du denn glücklich?“
fragte Liane mit einem Ton, der etwas Trübes
weiſſagt.

Sie mußte ihr volles Herz aufſchließen und
ihm alles ſagen — — ſtaunend höret er, daß
ihr die ganze Tartarus-Nacht, worin die un¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0133" n="125"/>
aus dem Zimmer. Jetzt &#x017F;chaute er Lianen, die<lb/>
ihn darüber tadelte, näher ins Auge und auch<lb/>
ihres hatte geweint. Sie wollte ihm anfangs<lb/>
den Gegen&#x017F;tand der ver&#x017F;chwi&#x017F;terten Rührung<lb/>
verhehlen; aber das fremde Nein war für ihn<lb/>
von jeher ein Hülfswort, ein Rückenwind, der<lb/>
ihn in den Hafen brachte. Liane wurde immer<lb/>
bewegter, endlich erzählte &#x017F;ie, daß Rabettens<lb/>
Berichte von Albano's Jugendge&#x017F;chichte ihr die<lb/>
von den &#x017F;einigen abgefodert und daß &#x017F;ie ihr die<lb/>
Sterbe-Nacht auf der Redoute gemalt und &#x017F;<lb/>
gar &#x017F;ein blutiges Kleid gewie&#x017F;en habe. &#x201E;Und<lb/>
&#x201E;da weinte &#x017F;ie, (&#x017F;agte Lianen) mit mir &#x017F;o herzlich<lb/>
&#x201E;als wenn &#x017F;ie deine Schwe&#x017F;ter wäre. &#x2014; O es<lb/>
&#x201E;i&#x017F;t ein liebes Herz!&#x201C; Karl &#x017F;ah beide wie<lb/>
zwei Auen mit einander verbunden, nähmlich<lb/>
durch den Regenbogen, der auf beiden mit<lb/>
Tropfen auf&#x017F;teht; er zog &#x017F;ie mit dankender Lie¬<lb/>
be an die Bru&#x017F;t. &#x201E;Bi&#x017F;t du denn glücklich?&#x201C;<lb/>
fragte Liane mit einem Ton, der etwas Trübes<lb/>
wei&#x017F;&#x017F;agt.</p><lb/>
          <p>Sie mußte ihr volles Herz auf&#x017F;chließen und<lb/>
ihm alles &#x017F;agen &#x2014; &#x2014; &#x017F;taunend höret er, daß<lb/>
ihr die ganze Tartarus-Nacht, worin die un¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[125/0133] aus dem Zimmer. Jetzt ſchaute er Lianen, die ihn darüber tadelte, näher ins Auge und auch ihres hatte geweint. Sie wollte ihm anfangs den Gegenſtand der verſchwiſterten Rührung verhehlen; aber das fremde Nein war für ihn von jeher ein Hülfswort, ein Rückenwind, der ihn in den Hafen brachte. Liane wurde immer bewegter, endlich erzählte ſie, daß Rabettens Berichte von Albano's Jugendgeſchichte ihr die von den ſeinigen abgefodert und daß ſie ihr die Sterbe-Nacht auf der Redoute gemalt und ſo¬ gar ſein blutiges Kleid gewieſen habe. „Und „da weinte ſie, (ſagte Lianen) mit mir ſo herzlich „als wenn ſie deine Schweſter wäre. — O es „iſt ein liebes Herz!“ Karl ſah beide wie zwei Auen mit einander verbunden, nähmlich durch den Regenbogen, der auf beiden mit Tropfen aufſteht; er zog ſie mit dankender Lie¬ be an die Bruſt. „Biſt du denn glücklich?“ fragte Liane mit einem Ton, der etwas Trübes weiſſagt. Sie mußte ihr volles Herz aufſchließen und ihm alles ſagen — — ſtaunend höret er, daß ihr die ganze Tartarus-Nacht, worin die un¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/133
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/133>, abgerufen am 24.11.2024.