"der Deutsche ist so gut mit Malerakademien "und mit Malerkoliken versehen als irgend ein "Volk; unsere Ballenbilder -- unsere Theses¬ "bilder in Augspurg -- unsere Leisten über Zei¬ "tungsblättern und unsere Buchdruckerstöcke in "jedem dramatischen Werke, durch die wir eine "frühere Shakespeare Gallery besaßen als Lon¬ "don -- unsere Effigie-Gehangnen am Galgen "sind jedem bekannt, und zeigen am ersten, "wie weit wirs treiben. -- Aber ich will auch "zulassen, daß Griechen und Welsche so malen "wie wir; so ragen wir doch dadurch über sie "hinweg, daß wir gleich der Natur und den "adelichen Sponsirern, nie die Schönheit iso¬ "lirt ohne angebognen Vortheil suchen. Eine "Schönheit, die wir nicht nebenher braten, ver¬ "aukzioniren, anziehen oder heirathen können, "gilt bei uns nur das, was sie werth ist; "Schönheit ist bei uns (hoff ich) nie etwas an¬ "ders als Anschrot und Beiwerk des Vortheils, "so wie auch auf dem Reichstage nicht die an¬ "gestoßenen Konfekttischchen, sondern die Ses¬ "sionstafeln die eigentlichen Arbeitstische des "Reichs-corpus sind. Ächte Schönheit und
„der Deutſche iſt ſo gut mit Malerakademien „und mit Malerkoliken verſehen als irgend ein „Volk; unſere Ballenbilder — unſere Theſes¬ „bilder in Augspurg — unſere Leiſten über Zei¬ „tungsblättern und unſere Buchdruckerſtöcke in „jedem dramatiſchen Werke, durch die wir eine „frühere Shakespeare Gallery beſaßen als Lon¬ „don — unſere Effigie-Gehangnen am Galgen „ſind jedem bekannt, und zeigen am erſten, „wie weit wirs treiben. — Aber ich will auch „zulaſſen, daß Griechen und Welſche ſo malen „wie wir; ſo ragen wir doch dadurch über ſie „hinweg, daß wir gleich der Natur und den „adelichen Sponſirern, nie die Schönheit iſo¬ „lirt ohne angebognen Vortheil ſuchen. Eine „Schönheit, die wir nicht nebenher braten, ver¬ „aukzioniren, anziehen oder heirathen können, „gilt bei uns nur das, was ſie werth iſt; „Schönheit iſt bei uns (hoff ich) nie etwas an¬ „ders als Anſchrot und Beiwerk des Vortheils, „ſo wie auch auf dem Reichstage nicht die an¬ „geſtoßenen Konfekttiſchchen, ſondern die Ses¬ „ſionstafeln die eigentlichen Arbeitstiſche des „Reichs-corpus ſind. Ächte Schönheit und
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0088"n="68"/>„der Deutſche iſt ſo gut mit Malerakademien<lb/>„und mit Malerkoliken verſehen als irgend ein<lb/>„Volk; unſere Ballenbilder — unſere Theſes¬<lb/>„bilder in Augspurg — unſere Leiſten über Zei¬<lb/>„tungsblättern und unſere Buchdruckerſtöcke in<lb/>„jedem dramatiſchen Werke, durch die wir eine<lb/>„frühere <hirendition="#aq">Shakespeare Gallery</hi> beſaßen als Lon¬<lb/>„don — unſere <choice><sic><hirendition="#aq">Effigie</hi>- </sic><corr><hirendition="#aq">Effigie</hi>-</corr></choice>Gehangnen am Galgen<lb/>„ſind jedem bekannt, und zeigen am erſten,<lb/>„wie weit wirs treiben. — Aber ich will auch<lb/>„zulaſſen, daß Griechen und Welſche ſo malen<lb/>„wie wir; ſo ragen wir doch dadurch über ſie<lb/>„hinweg, daß wir gleich der Natur und den<lb/>„adelichen Sponſirern, nie die Schönheit iſo¬<lb/>„lirt ohne angebognen Vortheil ſuchen. Eine<lb/>„Schönheit, die wir nicht nebenher braten, ver¬<lb/>„aukzioniren, anziehen oder heirathen können,<lb/>„gilt bei uns nur das, was ſie werth iſt;<lb/>„Schönheit iſt bei uns (hoff ich) nie etwas an¬<lb/>„ders als Anſchrot und Beiwerk des Vortheils,<lb/>„ſo wie auch auf dem Reichstage nicht die an¬<lb/>„geſtoßenen Konfekttiſchchen, ſondern die Ses¬<lb/>„ſionstafeln die eigentlichen Arbeitstiſche des<lb/>„Reichs-<hirendition="#aq">corpus</hi>ſind. Ächte Schönheit und<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[68/0088]
„der Deutſche iſt ſo gut mit Malerakademien
„und mit Malerkoliken verſehen als irgend ein
„Volk; unſere Ballenbilder — unſere Theſes¬
„bilder in Augspurg — unſere Leiſten über Zei¬
„tungsblättern und unſere Buchdruckerſtöcke in
„jedem dramatiſchen Werke, durch die wir eine
„frühere Shakespeare Gallery beſaßen als Lon¬
„don — unſere Effigie-Gehangnen am Galgen
„ſind jedem bekannt, und zeigen am erſten,
„wie weit wirs treiben. — Aber ich will auch
„zulaſſen, daß Griechen und Welſche ſo malen
„wie wir; ſo ragen wir doch dadurch über ſie
„hinweg, daß wir gleich der Natur und den
„adelichen Sponſirern, nie die Schönheit iſo¬
„lirt ohne angebognen Vortheil ſuchen. Eine
„Schönheit, die wir nicht nebenher braten, ver¬
„aukzioniren, anziehen oder heirathen können,
„gilt bei uns nur das, was ſie werth iſt;
„Schönheit iſt bei uns (hoff ich) nie etwas an¬
„ders als Anſchrot und Beiwerk des Vortheils,
„ſo wie auch auf dem Reichstage nicht die an¬
„geſtoßenen Konfekttiſchchen, ſondern die Ses¬
„ſionstafeln die eigentlichen Arbeitstiſche des
„Reichs-corpus ſind. Ächte Schönheit und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/88>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.