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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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aber er fürchtete sich, mehr davon zu sprechen.
Da änderte sich plötzlich Roquairols Gesicht -- er
starrte ihn an und forderte Betheuerung und
Erklärung -- unter dieser schauete er in die
Luft als wollt' er aus ihr durch Blicke Gesich¬
ter ziehen und sagte, indem er doch Albano an¬
sah, eintönig: "Todte, Todte, rede wieder!" --
Aber nur der Todtenfluß redete unter ihnen
fort und nichts weiter. Aber er warf sich vor
dem Altare auf die Kniee und sagte vermessen
und doch mit bebenden Lippen: "spring' auf
"Geisterpforte und zeige deine durchsichtige
"Welt -- ich fürcht' euch Durchsichtige nicht, ich
"werde einer von euch, wenn ihr erscheint, und
"gehe mit und erscheine auch." -- "O mein Gu¬
"ter, lasse nach," bat Albano nicht nur aus Got¬
tesfurcht, auch aus Liebe; denn ein Zufall, ein
vorüberschießender Nachtvogel konnte sie ja
durch ein Entsetzen tödten; -- auch stand dieses
Entsetzen nicht weit von ihnen; denn auf der er¬
leuchteten Seite der Trauerbirken trat eine ma¬
jestätische weiße alte Gestalt heraus. Aber da
Roquairol, durch Wein und Phantasie wahnsin¬
nig, die sterbende Larve in die Lüfte reichte und

aber er fürchtete ſich, mehr davon zu ſprechen.
Da änderte ſich plötzlich Roquairols Geſicht — er
ſtarrte ihn an und forderte Betheuerung und
Erklärung — unter dieſer ſchauete er in die
Luft als wollt' er aus ihr durch Blicke Geſich¬
ter ziehen und ſagte, indem er doch Albano an¬
ſah, eintönig: „Todte, Todte, rede wieder!“ —
Aber nur der Todtenfluß redete unter ihnen
fort und nichts weiter. Aber er warf ſich vor
dem Altare auf die Kniee und ſagte vermeſſen
und doch mit bebenden Lippen: „ſpring′ auf
„Geiſterpforte und zeige deine durchſichtige
„Welt — ich fürcht' euch Durchſichtige nicht, ich
„werde einer von euch, wenn ihr erſcheint, und
„gehe mit und erſcheine auch.“ — „O mein Gu¬
„ter, laſſe nach,“ bat Albano nicht nur aus Got¬
tesfurcht, auch aus Liebe; denn ein Zufall, ein
vorüberſchießender Nachtvogel konnte ſie ja
durch ein Entſetzen tödten; — auch ſtand dieſes
Entſetzen nicht weit von ihnen; denn auf der er¬
leuchteten Seite der Trauerbirken trat eine ma¬
jeſtätiſche weiße alte Geſtalt heraus. Aber da
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[507/0527] aber er fürchtete ſich, mehr davon zu ſprechen. Da änderte ſich plötzlich Roquairols Geſicht — er ſtarrte ihn an und forderte Betheuerung und Erklärung — unter dieſer ſchauete er in die Luft als wollt' er aus ihr durch Blicke Geſich¬ ter ziehen und ſagte, indem er doch Albano an¬ ſah, eintönig: „Todte, Todte, rede wieder!“ — Aber nur der Todtenfluß redete unter ihnen fort und nichts weiter. Aber er warf ſich vor dem Altare auf die Kniee und ſagte vermeſſen und doch mit bebenden Lippen: „ſpring′ auf „Geiſterpforte und zeige deine durchſichtige „Welt — ich fürcht' euch Durchſichtige nicht, ich „werde einer von euch, wenn ihr erſcheint, und „gehe mit und erſcheine auch.“ — „O mein Gu¬ „ter, laſſe nach,“ bat Albano nicht nur aus Got¬ tesfurcht, auch aus Liebe; denn ein Zufall, ein vorüberſchießender Nachtvogel konnte ſie ja durch ein Entſetzen tödten; — auch ſtand dieſes Entſetzen nicht weit von ihnen; denn auf der er¬ leuchteten Seite der Trauerbirken trat eine ma¬ jeſtätiſche weiße alte Geſtalt heraus. Aber da Roquairol, durch Wein und Phantaſie wahnſin¬ nig, die ſterbende Larve in die Lüfte reichte und

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 507. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/527>, abgerufen am 23.11.2024.