andere Handhabe als der Augenblick. Das Leben besteht nicht aus 70 Jahren, sondern die 70 Jahre bestehen aus einem fortwehenden Le¬ ben und man hat allemal gelebt und genug gelebt, man sterbe wenn man will.
3. Zykel.
Endlich als die drei Frohen sich in die Ta¬ felstube eines Lorbeerwaldes vor ihre Speis- und Trankopfer, die Schoppe zu Sesto ins Proviantschiff eingepackt hatte, niedersetzen woll¬ ten: gieng durch die Zweige ein feiner, elegant und einfarbig gekleideter Fremder mit langsa¬ men festen Schritten auf die liegende Tischge¬ sellschaft zu und wandte sich, ohne zu fragen, sofort an Cesara mit der deutschen, langsam, leise und bestimmt prononcirten Anrede: "ich "habe dem H. Grafen Cesara eine Entschuldi¬ "gung zu bringen." -- "Von meinem Vater?" fragt' er schnell. -- "Um Verzeihung, von meinem "Prinzen; (versetzte der Fremde) er verhinderte "Ihren H. Vater, der kränklich aufstand, in der "Morgenkühle zu reisen, aber gegen Abend "wird er eintreffen. -- Indeß bring' ich (setzte
andere Handhabe als der Augenblick. Das Leben beſteht nicht aus 70 Jahren, ſondern die 70 Jahre beſtehen aus einem fortwehenden Le¬ ben und man hat allemal gelebt und genug gelebt, man ſterbe wenn man will.
3. Zykel.
Endlich als die drei Frohen ſich in die Ta¬ felſtube eines Lorbeerwaldes vor ihre Speis- und Trankopfer, die Schoppe zu Seſto ins Proviantſchiff eingepackt hatte, niederſetzen woll¬ ten: gieng durch die Zweige ein feiner, elegant und einfarbig gekleideter Fremder mit langſa¬ men feſten Schritten auf die liegende Tiſchge¬ ſellſchaft zu und wandte ſich, ohne zu fragen, ſofort an Ceſara mit der deutſchen, langſam, leiſe und beſtimmt prononcirten Anrede: „ich „habe dem H. Grafen Ceſara eine Entſchuldi¬ „gung zu bringen.“ — „Von meinem Vater?“ fragt' er ſchnell. — „Um Verzeihung, von meinem „Prinzen; (verſetzte der Fremde) er verhinderte „Ihren H. Vater, der kränklich aufſtand, in der „Morgenkühle zu reiſen, aber gegen Abend „wird er eintreffen. — Indeß bring' ich (ſetzte
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0048"n="28"/>
andere Handhabe als der Augenblick. Das<lb/>
Leben beſteht nicht aus 70 Jahren, ſondern die<lb/>
70 Jahre beſtehen aus einem fortwehenden Le¬<lb/>
ben und man hat allemal gelebt und genug<lb/>
gelebt, man ſterbe wenn man will.</p><lb/></div><divn="2"><head>3. <hirendition="#g">Zykel.</hi><lb/></head><p>Endlich als die drei Frohen ſich in die Ta¬<lb/>
felſtube eines Lorbeerwaldes vor ihre Speis-<lb/>
und Trankopfer, die Schoppe zu Seſto ins<lb/>
Proviantſchiff eingepackt hatte, niederſetzen woll¬<lb/>
ten: gieng durch die Zweige ein feiner, elegant<lb/>
und einfarbig gekleideter Fremder mit langſa¬<lb/>
men feſten Schritten auf die liegende Tiſchge¬<lb/>ſellſchaft zu und wandte ſich, ohne zu fragen,<lb/>ſofort an Ceſara mit der deutſchen, langſam,<lb/>
leiſe und beſtimmt prononcirten Anrede: „ich<lb/>„habe dem H. Grafen Ceſara eine Entſchuldi¬<lb/>„gung zu bringen.“—„Von meinem Vater?“<lb/>
fragt' er ſchnell. —„Um Verzeihung, von meinem<lb/>„Prinzen; (verſetzte der Fremde) er verhinderte<lb/>„Ihren H. Vater, der kränklich aufſtand, in der<lb/>„Morgenkühle zu reiſen, aber gegen Abend<lb/>„wird er eintreffen. — Indeß bring' ich (ſetzte<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[28/0048]
andere Handhabe als der Augenblick. Das
Leben beſteht nicht aus 70 Jahren, ſondern die
70 Jahre beſtehen aus einem fortwehenden Le¬
ben und man hat allemal gelebt und genug
gelebt, man ſterbe wenn man will.
3. Zykel.
Endlich als die drei Frohen ſich in die Ta¬
felſtube eines Lorbeerwaldes vor ihre Speis-
und Trankopfer, die Schoppe zu Seſto ins
Proviantſchiff eingepackt hatte, niederſetzen woll¬
ten: gieng durch die Zweige ein feiner, elegant
und einfarbig gekleideter Fremder mit langſa¬
men feſten Schritten auf die liegende Tiſchge¬
ſellſchaft zu und wandte ſich, ohne zu fragen,
ſofort an Ceſara mit der deutſchen, langſam,
leiſe und beſtimmt prononcirten Anrede: „ich
„habe dem H. Grafen Ceſara eine Entſchuldi¬
„gung zu bringen.“ — „Von meinem Vater?“
fragt' er ſchnell. — „Um Verzeihung, von meinem
„Prinzen; (verſetzte der Fremde) er verhinderte
„Ihren H. Vater, der kränklich aufſtand, in der
„Morgenkühle zu reiſen, aber gegen Abend
„wird er eintreffen. — Indeß bring' ich (ſetzte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/48>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.